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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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Brücken aus Nebel, die Schiffe in andere Welten führten. Die Waldgeister blieben unter sich, wie schon die ganze Zeit. Sie kauten auf ihren Pilzen herum und murmelten unverständliche Worte in ihre Bärte. Es war, als hätte der Nebel sich wie eine Decke des Schweigens auf sie alle herabgesenkt, und als Bran die Schlingen von den Steven löste und zu Nangor hinüberwarf, hörte er das Wasser zwischen den Schiffsrümpfen gurgeln. Er blickte hinunter in das kalte, schwarze Nass, das gegen die Rumpfplanken klatschte. Durch die Strömung entstanden Strudel und Wirbel zwischen den auseinander gleitenden Schiffen. Wenig später hatten sie ihre Fahrt durch den Nebel wieder aufgenommen.
    Dielan hielt die ihm verordnete Ruhe ein. Seine Rippe brauchte Zeit, um zu verheilen, und Turvi meinte, dass er kurzatmig werden würde, falls er sich nicht ausruhte. Also übernahm Bran die Wachen seines Bruders am Steuerruder; das war das Mindeste, was er für ihn tun konnte. Bei dem, was vor ihnen lag, brauchte er Dielans volle Unterstützung.
    Bran wusste, dass die Männer dieses Meer fürchteten, aber er selbst spürte keine Angst. Er lehnte mit dem Rücken am Achtersteven und hielt das glatt geschliffene Steuerruder in der Hand. Die Ruder schoben das Schiff mit taktfesten Schlägen durch die Dünung. Die Tigam rollte ruhig hin und her, und der Querbaum knarrte an der Mastspitze. Das Schiff sprach zu ihm, so wie es zu ihm gesprochen hatte, als er damals von Arborg nach Hause gesegelt war. Aber Tirga war nicht länger seine Heimat. Tirs Stadt hatte ihn und sein Volk wie Freunde aufgenommen, aber sie waren niemals wirklich dort zu Hause gewesen. Das wurde ihm erst jetzt, als er über das Wasser und in den Nebel blickte, richtig bewusst. Mit einem Mal verstand er, warum er schon als kleiner Junge von den Kalanen sehnsüchtig über die endlosen Ebenen geschaut hatte. Auch die Felsenburg war nie eine richtige Heimat für ihn gewesen. Er hatte dort keinen Frieden gefunden. Den fand er hier draußen, auf dem Meer. Die Wellen hatten versucht, ihn und sein ganzes Volk im Sturmrand zu töten. Sie hatten ihn über Bord gespült und in die Tiefe gezogen. Aber er hatte überlebt. Das Meer war zu seiner Heimat geworden. Und dennoch würde er es schon bald verlassen müssen.
     
    Die erste Frostnacht breitete eine glitzernde Schicht aus Eiskristallen über das Deck. Der Nebel senkte sich bis aufs Wasser und wurde noch dichter. Die Frauen nähten dicke Wämser aus Fellen und packten die Kinder in Decken und Umhänge. Die letzten Bündel Trockentang wurden hervorgeholt und zum Trocknen neben die Feuerstelle gelegt. Die Tage vergingen, und die Nächte wurden länger. Bran schlief tagsüber und stand jetzt jede Nacht am Steuerruder und blinzelte in die graue Mauer vor dem Schiff. Weiter als bis zum Bugsteven konnte er nicht sehen. Vor ihnen lag die ewige Dunkelheit. Bran wusste, dass Nangor sich backbord von ihnen befand, auch wenn er das Langschiff nicht sehen konnte. Er hörte nur das ferne Schlagen der Ruder, seltener gedämpfte Stimmen.
    In einer solchen Nacht brach der Nebel plötzlich auf. Die graue Mauer wurde zu lang gestreckten Fetzen, die am Schiff vorübertrieben. Sie züngelten wie Flammen um den Mast, und als Bran nach oben schaute, konnte er Sterne am Himmel erkennen, wenn auch nur wenige und nur schwach. Da wusste er, dass es bald aufklaren würde.
    Er stampfte mit dem Fuß auf die Decksplanken. »Der Nebel lichtet sich!«
    Männer husteten, Kinder schrien. Dann hörte er erste Schritte unter Deck. Gleichzeitig wurde backbord, ungefähr einen Speerwurf entfernt, Nangors Langschiff sichtbar. Der Seeräuber winkte mit der Hand über dem Kopf. Bran lächelte und winkte zurück.
    Die Lukenklappe flog auf. Hagdar war der Erste an Deck, gefolgt von den Waldgeistern. Die kleinwüchsigen Krieger liefen zu den Tonnen und kletterten flink hinauf. Turvi wurde von Kaer und Gorm aus der Luke gehoben. Dielan und Gwen kamen mit Konvai herausgeklettert. Kais Sohn und Lillevord und alle Söhne von Hagdar und Linvi waren da. Alle kamen sie an Deck, um zu sehen, wohin sie die Fahrt durch den Nebel geführt hatte. Als Letzte kam Tir mit dem Kind auf dem Arm die Leiter hoch. Bran übergab Hagdar das Steuerruder und half ihr nach oben. Er stützte sie und legte sein Gesicht in ihre Halsbeuge. Es war Tage her, dass er das gemacht hatte.
    Und als der Morgen graute, hörte er die Rufe. Die Männer und Frauen jubelten. Und Turvi schrie wie ein Verrückter.
    Bran

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