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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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Schüler: Die Kämpfenden vergessen oft, wer der Feind ist. Und wenn die letzte Schlacht geschlagen ist, ist überall nur noch Blut und Tod. So war es auch damals. Ekserk ließ seine Krieger im Stich und floh in die Wälder im Norden. Berav segelte aufs Meer hinaus, Man versteckte sich unter den Bergen, und Karr kletterte zwischen schneebedeckte Klippen. Und wer blieb übrig, Schüler? Nicht Ekserks Jäger, die waren in ihre Jagdgründe zurückgelaufen. Nicht Beravs Küstenvolk, die wuschen ihre Wunden in den Wellen. Nicht Mans Männer, denn die waren kriegsmüde. Nur die, die Hörner trugen, waren noch da, um Tarkin gegenüberzutreten. Denn Tarkin hatte nicht aufgegeben. Krim hatte alle seine Männer in Ar zusammengerufen und die Burg der Hörnertragenden belagert. Da öffneten sie die Tore und traten Krims Lanzenträgern entgegen. Nur der Stärkste der Hörnertragenden überstand die Schlacht lebend. Und Krim ließ ihn gehen, Schüler. Denn dieser Letzte hatte tapfer gekämpft, und nun schleppte er seinen blutüberströmten Körper hinaus in die Ebenen. Man sagt, er sei im Süden gestorben. Sein Name war Cernunnos.«
    Die Schüler saßen mit weit aufgerissenen Augen da. Vile wischte sich die Nase trocken, er mochte keine Geschichten über Krieg und Blut. Bul schluckte, aber ehe er etwas sagen konnte, fuhr Loke fort.
    »Gamles Prophezeiung, dass Cernunnos eines Tages zurückkehren werde, hat nicht er sich ausgedacht.« Loke hob einen Zeigefinger und sah seine Schüler streng und ernst an. »Das ist eine Prophezeiung, die seit den Uralten Zeiten von Waldgeisthäuptling zu Waldgeisthäuptling weitergegeben wurde. Die Turmbäume haben sie uns damals zugeflüstert, denn ihre Wurzeln erstrecken sich über die ganze Welt und wussten, was auf den Schlachtfeldern passierte. Und es wurde zu unserer Verantwortung, auf den Wiedergeborenen zu warten und ihm zu helfen, wenn er kommt. Darum sind wir hier. Darum habe ich Tir zurück ins Leben geholfen. Der Alte hatte ihren Tod in seinen Träumen vorhergesehen, und er sandte mich, weil er wusste, dass der Wiedergeborene in diesen ersten Wintern seines Lebens seine Mutter brauchte. Wir werden Brans Volk in das Tal folgen. Und dann werden wir in den Westwald zurückwandern, wo wir auf den Wiedergeborenen warten werden. Denn die Prophezeiung sagt, dass er sein Volk verlassen, aber nach viermal zehn Jahren zurückkehren wird. Und dann, wenn ihr mich in der Zwischenzeit nicht völlig ausgelaugt habt, werden wir dem Wiedergeborenen helfen, sein Schicksal zu erfüllen.«
    Die Schuler schwiegen lange. Loke hatte ihnen mehr Worte gegeben, als er während der letzten Monde gesprochen hatte. Der weißbärtige Waldgeist gähnte, stand auf und beugte sich zu seinem Speer hinunter.
    »Und was ist mit Tir?« Bile, der der Klügste der Schüler war, zog ihn am Ärmel. »Und Bran? Wissen sie, dass ihr Sohn der Wiedergeborene ist?«
    Loke holte tief Luft, schaute zu den Weidenzweigen hoch und seufzte laut.
    »Ich glaube, sie ahnt etwas. Aber selbst sie als seine Mutter weiß es nicht sicher. So soll es sein. Niemand kann mit der Gewissheit leben, dass das eigene Kind etwas anderes als ein gewöhnlicher Mensch ist.«
    Der Trolljäger stapfte zwischen die Weiden und winkte seine Schüler, ihm zu folgen. Bile trat das Feuer aus, schwang den Rucksack über die Schulter und lief hinterher. Die Bäume warfen lange Schatten auf den Waldboden.
     
    Vier Tage waren vergangen, seit das Felsenvolk seine Zelte auf dem Feld aufgeschlagen hatte. Tir ging es wieder etwas besser. Die Schwellung der Wunden war zurückgegangen, und Loke meinte, dass gute Geister über sie gewacht hätten. Sie würde kein Wundfieber bekommen und nach Ablauf eines Mondes wieder so weit bei Kräften sein, dass sie weiterziehen konnten. Das war eine große Erleichterung für das Felsenvolk, denn der Herbst lag inzwischen schwer und kalt über dem Land. Der Bergrücken am Fuße des Gebirges war voller gelber Blätter, und morgens war das Gras weiß bereift.
    Die vergangenen Tage hatten das Felsenvolk viel über die Einwohner des Dorfes gelehrt. Am ersten Morgen hatten sie sie ihre Boote aufs Wasser schieben sehen. Bran und seine Männer hatten sprachlos zwischen ihren Zelten gestanden und über die merkwürdigen Segel gestaunt, die wie viereckige Windrahmen von den hohen Masten abstanden. Egal aus welcher Richtung der Wind blies, die Fischer fingen ihn in ihrem Segel. Selbst mit dem Wind von vorn glitten die Boote vorwärts. Nangor

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