Das Verheissene Land
Bran leichter, und in dieser Nacht schmiegte er sich dicht an Tir.
Bran blinzelte in die Sonne. Der Feuerball stand hoch über der Anhöhe. Ein Windstoß traf ihn im Nacken und zerrte an dem Pelz auf seinem Rücken. Die Männer an Deck riefen etwas und fuchtelten wild mit den Armen herum. Gorm und Orm rollten gerade eine Tonne den Landgang hoch, an dessen oberem Ende Hagdar wartete, um sie an der Reling in Empfang zu nehmen.
Bran hatte angekündigt, dass sie noch vor Sonnenuntergang ablegen würden. Dann würde sein Volk die Taue lösen und wieder in See stechen. Die schlanken Boote mit dem Spitzbug, mit denen sie aus dem Norden hierher gekommen waren, lagen noch immer auf der Kaimauer am östlichen Ende des Hafens. Niemand außer Turvi bedauerte es, sie zurückzulassen, doch der Einbeinige war inzwischen alt und rührselig. Doch selbst Turvi sah ein, dass sie keine Verwendung mehr für die Boote hatten, jetzt, wo ihnen für die Reise zwei Langschiffe zur Verfügung standen. Bran brauchte sich keine Sorgen mehr darum zu machen, wie er die sieben mal zehn Menschen unterbringen sollte, die das Felsenvolk inzwischen zählte. Eines Tages war einer von Visikals Wächtern an Bord der Tigam gekommen, als Dielan und Bran an Deck Taue zusammenlegten. Sie hatten ihn an den glänzenden Schulterpanzern und der Brünne wieder erkannt, die er trug.
»Das ist einer von Visikals Männern«, flüsterte Dielan, worauf Bran den Krieger mit der offenen Schwerthand begrüßte und der Wächter den schimmernden Halbhelm abnahm.
»Bran«, sagte er. »Skerg von Arborgs Ehre und Häuptling des Volkes aus dem Norden.« Er verneigte sich kurz. »Visikal bittet dich, zu ihm zu kommen.«
»Na dann, viel Erfolg und guten Durst«, flüsterte Dielan grinsend, als Bran sich erhob, um dem Krieger zu folgen.
Sie gingen die breite Straße bis zu Cernunnos Turm hinauf, bogen dort rechts ab und stiegen die Treppen zum Garten empor. Der Kies knirschte unter ihren Füßen, als sie den Hofplatz überquerten. Am Ende des Säulengangs, der um den Innenhof verlief, öffnete die Wache die Tür. Bran betrat Visikals Saal.
Es war dunkel dort drinnen. Die Fackeln, die normalerweise in Eisenbügeln entlang der Wände brannten, waren erloschen. Bran wartete zwischen den Säulen hinter der Tür, bis seine Augen sich langsam an das schwache Licht gewöhnten. In diesem Saal war er Visikal zum ersten Mal begegnet, und in dieser Burg, in der Waffenkammer unter dem Westturm, hatten die Skerge ihm das Treuegelübde abgenommen und ihn aufgefordert, gemeinsam mit den Tirganern gegen Vandars Heere zu kämpfen. Die Wände des Saals waren mit Waffen geschmückt: Zwischen zerbeulten Schilden und rostigen Brünnen hingen Speere, Kriegsäxte und blau geschliffene Schwerter. Auf einem massiven Eichentisch in der Mitte des Saals standen ein Krug und ein paar Bronzebecher. Der Skerg saß auf einem Prunkstuhl vor dem Kamin, halb verdeckt von der breiten Rückenlehne. Einer seiner Arme hing schlaff auf den Boden, als schliefe er.
Bran legte seinen Umhang über eine Kiste in der Ecke, ehe er an den Tisch trat.
»Du trägst den Pelz nicht mehr, meine Gabe an dich.« Visikal sprach gesetzt und leise. »Aber warum solltest du auch? Du hast für mich gekämpft, wie du es gelobt hast. Und nun ist die Zeit für dein Volk gekommen, weiterzuziehen.«
Bran zog einen Stuhl an den Tisch und setzte sich. Visikal beugte sich vor und griff nach dem Schürhaken, um damit die Tangbündel im Feuer so zu drehen, dass die Flammen die Halle erleuchteten. Dann erhob er sich. Über seiner Schulter hing ein dünner Leinenumhang, und darunter trug er ein weißes Hemd, das mit Blut- und Fettflecken übersät war. Als er seinen Stuhl herüberschob und sich ebenfalls an den Tisch setzte, stieg Bran der Dunst von Schweiß und Wein in die Nase.
»Du wolltest mich sprechen?« Bran legte die Hände auf die Tischplatte.
Visikal nickte so heftig, dass ihm das fettige Haar ins Gesicht fiel. Dann sank der Skerg in den Stuhl zurück und starrte Bran durch die grauen Strähnen an. »Wir haben viel zu besprechen, Bran. Obgleich keiner von uns beiden ein Mann vieler Worte ist.«
Der Skerg richtete sich auf und schüttelte den Kopf. Dann schenkte er Wein aus dem Krug ein und reichte Bran einen Bronzebecher. Er hob seinen eigenen Becher und führte ihn an den Mund. Bran beobachtete ihn beim Trinken. Visikal hatte die Augen geschlossen, sein Kinn zitterte leicht. Der Adamsapfel hüpfte über dem nicht enden
Weitere Kostenlose Bücher