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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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spuckte auf das Deck. »Das ist bei den Zahnwalen nicht so leicht zu sagen. Es heißt, dass sie Glück bringen, aber ich habe Gerüchte gehört, dass sie oben an der Nordküste auch schon einmal ein Schiff zum Kentern gebracht hätten.«
    »Das ist ein Zeichen, Freunde!« Turvi reckte einen Arm in die Höhe, während er sich mit dem anderen an Bran klammerte. »Seht ihr denn nicht, dass die Wale nach Westen schwimmen? Sie bereiten den Weg für Kraggs Volk. Sie zeigen uns, dass wir nichts zu fürchten haben!«
    »Sie erzählen uns, dass wir umkehren sollen!«, rief Gorm. Orm und ein paar der anderen nickten und stimmten ein.
    Bran spürte, wie ihm der Atem in der Brust stecken blieb. Turvi glitt mit der Hand unter sein Hemd und hielt sie dort, während er ihn anstarrte. »Jetzt musst du Kraft zeigen«, flüsterte er.
    Bran ließ Dielan den Alten stützen. »Ich bin euer Häuptling«, brüllte er. »Berav hat mich auserwählt, unser Volk über das Meer zu führen. Habt ihr den Wettkampf vergessen? Es war Nojs letzter Wille. Er wollte, dass uns der Stärkste auf das Meer hinausführte. Ich habe euch nach Tirga gebracht, und ich werde euch weiter führen!«
    »Es war Nangor, der uns von Tirga erzählt hat.« Gorm sah ihn aus schmalen Augen an. »Du warst nach dem Zweikampf mit dem Königssohn verwundet und bewusstlos. Du hast um Tir gekämpft und uns alle in Gefahr gebracht. Es war deine Wut, die uns…«
    »Ich habe für meine Frau gekämpft!« Bran trat einen Schritt auf ihn zu und ballte die Faust. »Das war mein Recht. Und ich habe ihre Ehre im Zweikampf der Häuptlinge verteidigt. Zweifelt sonst noch jemand an meinem Recht, Häuptling zu sein und mein Volk zu führen?«
    Die Männer senkten die Blicke. Turvi wiegte anerkennend den Kopf hin und her. »Und jetzt geh wieder ans Ruder«, sagte er. Er zog die Hand aus seinem Hemd, doch Bran hatte keine Zeit, ihn zu fragen, was er dort versteckte. Er tat, wie ihn der Alte geheißen hatte, und lief zum Steuerruder zurück. Hagdar stand noch immer am Achtersteven. Er war nass und leichenblass im Gesicht. Als Bran sich vor ihn stellte, ließ er die Reling los.
    »Sei gnädig mit uns, Berav.« Der große Mann sah zu den Walen hinunter, fasste sich an den Kopf und taumelte zur Luke.
    Die Wale folgten den Langschiffen, bis Bran die Sonne im Nacken brannte. Dann tauchten sie einer nach dem anderen unter und waren verschwunden. Dielan steuerte das Schiff in die Nacht hinein, und während die Sonne im Westen unterging, stand Bran an der Reling und sah Coggas weiße Klippen im Meer versinken. Und er wusste, dass dies das Letzte war, was sie jemals von der alten Welt sehen würden.
     
    Weitere fünf Tage vergingen. Der Wind stand günstig und blies gleichmäßig, und die Steuermänner brauchten das Ruder kaum festzuhalten. Die Strömung führte sie weiter nach Westen, als könne das Meer es gar nicht erwarten, die Schiffe in die Stürme dort draußen zu tragen. Am zwanzigsten Tag auf See standen Dielan und Hagdar an der Reling und hielten nach Seevögeln Ausschau. Dielan hatte etwas bemerkt, das ihm Sorgen machte. Auch Bran war es nicht entgangen. Die Möwen, die wie weiße Kreuze am Himmel entlanggesegelt waren, wurden mit jedem Tag seltener. Noch vor wenigen Tagen waren sie oben auf dem Querbaum gelandet, um ihre Flügel auszuruhen, doch jetzt schienen die Schiffe in einen Meeresbereich geraten zu sein, den sogar die Sturmseeschwalben mieden.
    »Sie fliegen nie nach Westen.« Hagdar beugte sich über die Schmiedebank, auf der rotes Eisen glühte. Es war Gorms Messer, das dort lag, denn es war rostig geworden und musste neu gehämmert werden. »Das bedeutet, dass es in dieser Richtung zu weit ist, bis wieder Land kommt, so weit, dass sie es nicht schaffen würden, dorthin zu fliegen.«
    »Ich habe nie behauptet, dass es eine kurze Reise wird.« Bran legte sein ganzes Gewicht auf den Blasebalg. Die Eisenspitze ließ Flammen aus der Kohle auflodern.
    Dielan kratzte sich an der bloßen Brust. Der Schweiß tropfte aus seinen schwarzen Haaren und ließ seinen mageren Bauch glänzen. Bran sah, wie die Falte zwischen seinen Augenbrauen immer tiefer wurde. Das war typisch für seinen Bruder, wenn ihm etwas Sorgen machte.
    »Nicht dass ich mich gegen unseren Häuptling stellen würde.« Hagdar hielt das Messer mit der Zange fest und legte es auf den Amboss. »Aber das – das macht mir wirklich Sorgen. Wir waren dem Reich der Götter noch nie so nahe wie jetzt.«
    »Mutter wollte nicht,

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