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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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dass ich fahre.« Virga schob die Kapuze aus seinem kindlichen Gesicht und lächelte sie an. »Sie sagte, dass wir über den Rand der Welt in den ewigen Abgrund stürzen würden, wenn uns die Stürme nicht töteten. Aber ich glaube ihr nicht. Vater sagte etwas anderes, als er noch lebte.«
    »Dein Vater trank gerne einen über den Durst, Junge.« Zwei Messer sah ihn mit seinem blinden Auge an. »Du darfst nicht alles glauben…«
    »Er war kein Lügner!« Virga rückte näher zu Bran, schlug den Umhang um sich und blickte den älteren Krieger missmutig an. So hatte Bran den Jungen noch nie gesehen. Während des Kriegszuges war er voller Respekt und Ehrerbietung für die älteren Krieger gewesen. Doch Bran hatte ihn auch noch nie über seinen Vater sprechen hören.
    »Erzähl uns von ihm.« Hagdar legte die Klinge zurück in die Glut. »Erzähl von deinem Vater. Was hat er dir gesagt?«
    Virga schlang die Arme um seine Knie und heftete den Blick auf die glühenden Kohlen.
    »Hat er von der anderen Seite gesprochen?« Bran legte seine Hand auf die schmale Schulter des Jungen. »Ist er durch die Stürme gesegelt?«
    Virga schüttelte den Kopf. Zwei Messer schnaubte und legte sich auf die Seite. Storm gähnte.
    »Mein ganzes Volk bewundert deinen Mut.« Bran neigte den Kopf zur Seite. »Und wenn du etwas über die andere Seite weißt, werden wir dir lauschen.«
    »Es ist nicht so viel.« Virga zuckte mit den Schultern. »Nur etwas, das Vater mir erzählt hat, als ich klein war.«
    Die Männer, die um die Schmiedebank herumsaßen, sahen ihn an. Virga schluckte und senkte erneut den Blick.
    »Er war Tileder, so wie Bran. In jungen Jahren fuhr er einmal mit der Flotte nach Westen, um Cogga in sicherem Abstand zu umsegeln. Es war Nacht, und er stand am Ruder, als er einen Mann entdeckte, der im Meer trieb. Doch der Mann hatte eine Fischhaut und einen Flossenschwanz…«
    Zwei Messer grinste. »Er hatte nicht zufällig eine Weintonne aus den Tiefen des Meeres bei sich? Das wäre deinem Vater doch sicher recht gewesen, oder?«
    Bran sah, wie sich die Augen des Jungen verengten und sein Blick kühl wurde. Er zog die Lippen wie ein Tier zurück und sein Rücken hob und senkte sich bei jedem Atemzug.
    »Er hatte Fischhaut und einen Flossenschwanz«, fuhr Virga fort, dieses Mal mit lauterer Stimme. »Vater fischte ihn aus dem Meer und da bemerkte er, dass der eine Arm des Mannes abgerissen war. Er war fast tot, doch er konnte Vater noch etwas sagen. Er sprach merkwürdig, wie wenn die Old-Myrer versuchen, in der Handelssprache zu sprechen.« Virga sah die anderen an, die Rolle des Erzählers war ganz ungewohnt für ihn. »Er sagte, er sei auf der Jagd von einem Hai angegriffen worden, und dass dieser ihn weit nach Osten gezogen hätte.«
    »Warum ist er nicht ertrunken?«, wunderte sich Bran.
    »Unterbrich ihn nicht«, flüsterte Dielan und gab Bran mit der Hand ein Zeichen, zu schweigen.
    »Vater fragte, woher er käme. Er hatte Angst, der Mann könne ein Mansare sein, denn die Mansarer waren in dieser Zeit stark und hatten viele Schiffe unter Segeln. Doch der Mann sah ihn bloß an und deutete nach Westen. Und dann starb er.«
    »Eine gute Geschichte«, sagte Storni. »Wein fördert oft gute Geschichten zu Tage.«
    Hagdar fischte die Klinge aus der Glut und drückte sie mit der Zange auf den Amboss. Die Funken flogen unter den Hammerschlägen. Bran erkannte seinen finsteren Blick wieder und wusste, dass der große Mann seine Angst in seinem Schweigen verbarg.
    »Du sprichst wie ein erwachsener Mann, Virga.« Bran klopfte ihm auf die Schulter. Wenn die Geschichte wahr war, lag mehr als nur das Meer vor den Langschiffen. Aber ob das, was auf sie wartete, gut oder schlecht war, konnte er nicht erraten. Er erinnerte sich an die Haie im Norden, an die schwarzen, leblosen Augen und die sandartige Haut unter den Fingern. Berav hatte ihn einmal vor ihnen gerettet. Das nächste Mal würde er vielleicht nicht auf ihn achten.
    Nachdem Hagdar den Rost vom Messer gehämmert hatte, tauchte er es in eine Tonne mit Salzwasser. Die Männer, die um die Schmiedebank herumstanden, waren jetzt still, und Bran spürte, wie schwer die Zweifel auf ihnen lasteten. Nur wenige der Männer und Frauen an Bord vertrauten auf seine Träume und auf das Land auf der anderen Seite des Sturmrandes. Er hatte bemerkt, wie sich die Stimmung nach dem Erscheinen der Wale verändert hatte. Hagdar lachte nur selten und machte nicht einmal mehr über Frauen oder Wein

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