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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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Witze. Zwei Messer und Storm zogen sich die meiste Zeit zurück, putzten ihre Waffen und blickten aufs Meer hinaus. Die Frauen beschworen Kragg in langen Liedern und flüsterten Berav, dem Mann unter den Wellen, ihre Gebete zu.
    Bran streckte seine steifen Beine und ging an den Ruderbänken entlang. Tir war vor dem Bugraum unter die Decke gekrochen, und auch er selbst spürte jetzt nach dem langen Tag am Ruder, wie müde er war. Er stieg über Kaers Beine, der mit dem Rücken an einen Balken gelehnt eingeschlafen war und noch immer einen nur halb gegessenen Trockenfisch in den Händen hielt. Einige Speerlängen hinter ihm lag Tir mit ihrem großen Bauch. Schweiß stand auf ihrer Stirn. Sie drehte den Kopf, als er sich neben sie legte. Es würde jetzt nicht mehr lange dauern, das wusste er. Sie hatte ihm das vor acht Tagen gesagt, als sie an Deck standen und die Spiegelungen des Vollmondes auf der Wasserfläche betrachteten. Er hatte seitdem die Tage gezählt und sie in den Dachbalken über ihrem Schlafplatz geritzt. In zwei mal zehn Tagen sollte das Kind kommen.
    Er streichelte ihr über den Arm, denn sie wollte nicht mehr, dass er ihre Brüste berührte. Doch er durfte seine Hand auf ihren Bauch legen, und als er sich neben sie legte, strampelte das kleine Geschöpf dort drinnen. Bran hatte schon bei der Geburt von Schafen geholfen und einmal hatte er seinen Arm in ein Tier hineingeschoben und ein Lamm umgedreht. Es war merkwürdig, wie ein Leben in einem anderen heranwachsen konnte. Doch wenn er so wie jetzt dalag, den Mund an ihrem nackten Arm, brauchte er nicht alles zu wissen.
    Tir drehte sich auf die Seite, und er schmiegte sich an ihren Rücken. Jede noch so kleine Bewegung fiel ihr jetzt schwer. Sie hatte sich über ihre Knöchel beschwert, über den Schweiß, der ihr manchmal ganz plötzlich ausbrach, oder über das Gewicht ihres Unterleibs. Doch Kianna hatte an ihrem Bauch gelauscht und ihr in die Augen gesehen und gesagt, ihr Körper bereite sich auf die Geburt vor. Bran hatte Turvi danach gefragt und der alte Mann hatte zu murmeln begonnen, dass es in dem Sommer, in dem Eyna mit Kaer schwanger war, so heiß gewesen sei, dass das Gras in der Sonne verbrannte.
     
    Bran drehte sich im Schlaf auf den Rücken und schob die Decke von seinem Körper. Die Nacht war warm, und der Rauch der Feuerstelle hing dick unter den Decksplanken. Bran kannte diesen Geruch; der Dunst von Sicherheit und Wärme, von Abenden am Lagerfeuer und Fleisch an den Spießen. Und die Träume kamen und nahmen ihn mit zurück in die Felsenburg, in die Hütte seines Vaters. Dort saß er am Feuer und schnitt Späne von einem Stock. Das Jagdmesser lag schwer in seiner Hand, und er versuchte mühsam, lange Fasern vom Holz zu schneiden, wie sie Vater zum Anfeuern haben wollte.
    »Nicht so, Junge!« Vater stand von seinem Stuhl am Tisch auf und schwankte auf ihn zu. Er stank nach Met und herbem Fett, denn Noj hatte ein Fest abgehalten, um den Sieg über die Vokker zu feiern.
    »Lange Späne, habe ich doch gesagt!«
    Schmutzige Finger schnappten sich das Messer und nahmen ihm den Stock aus der Hand.
    »Du musst es lernen, mit dem Messer umzugehen, Bran, wenn du zurechtkommen willst!«
    Vater kniete am Feuer nieder und schnitt mit gleichmäßigen, gekonnten Bewegungen lange Späne vom Holz. Dann legte er das Messer zur Seite und sammelte die Späne in seiner Hand zusammen. »So sollst du das machen. Du musst das lernen, Sohn. Du kannst weder zählen noch dich sonderlich gut ausdrücken. Da wäre es wirklich das Beste, du würdest lernen, mit deinen Händen umzugehen.«
    Bran nahm das Messer entgegen. Die Spitze der Klinge war gebogen und spitz wie eine Nadel. Noch immer waren braune Flecken auf dem knöchernen Schaft. Das war das Blut des Lammes, das Vater ihm im Herbst gegeben hatte.
    »Ich will nicht.« Bran warf das Messer auf den irdenen Boden und rannte zur Tür. Doch die starken Hände packten ihn und trugen ihn zurück zur Feuerstelle.
    »Heb es auf. Junge! Du darfst niemals ein Messer wegwerfen. Weißt du, wie viele Schaffelle mich das gekostet hat?«
    Bran zappelte in seinem Griff. Mutter war aus der Hütte gegangen, doch es hätte wenig geändert, wenn sie zur Stelle gewesen wäre.
    »Tu, was ich sage, Bran!« Vater hob ihn bis zu seinem Gesicht hoch. Die Zähne glänzten hinter dem schwarzen Bart. Dann ließ er ihn los und Bran landete mit dem Rücken auf den Spänen. Er rollte sich wie ein Hund zusammen und hielt die Luft an. Seine

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