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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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So schlenderte Bran über das Deck, trat zwischen die Füße der Schlafenden und fand schließlich Tir auf einem Fell vor den Wassertonnen. Sie hatte sich an die Seite von Kianna gelegt, der Galuene, die mit ihnen gereist war, um Tir bei der Geburt zu helfen. Er hatte ihr schon längst dafür danken wollen, doch noch hatte er die richtigen Worte nicht gefunden.
    Bran setzte sich neben Tir und lehnte seinen Rücken an eine Tonne. Hagdar hatte den Deckel aufgebrochen, als es zu regnen begonnen hatte, und jetzt war sie bis zum Rand gefüllt. Das war gut so, dachte er. Um das Wasser bräuchte er sich eine ganze Weile keine Gedanken zu machen. Und wenn ihn keine Sorgen quälten, waren die Schmerzen hinter seiner Stirn weniger stark.
    Er hatte sich gerade erst hingelegt, als ihn der Ruf hochschnellen ließ. Nangor stand im Bug des Langschiffes und wedelte mit den Armen über dem Kopf.
    »Cogga!« Der Seeräuber deutete nach Süden. Und dort unten erkannte Bran die grüne Insel, über die er die Tirganer hatte sprechen hören. Auf Cogga war Blutskalle in der Schlacht vor den weißen Klippen tödlich verwundet worden. Bran konnte nicht erkennen, wie weit die Insel entfernt war, denn er hatte sie nie aus der Nähe gesehen. Doch er wusste, dass dort Kriegsschiffe der Mansarer und Vandarer lagen. Und wenn Cogga im Süden lag, waren sie mitten in vandarschen Fahrwassern. In wenigen Tagen würden sie in Höhe von Torman sein, der Westspitze der bekannten Welt. Westlich von Torman lag nichts als Meer. Und dort draußen wartete der Sturmrand.
     
    Bran fand in dieser Nacht keine Ruhe. Er drehte sich unter seinem Fell hin und her, und als Tir ihn schließlich bat, sich einen anderen Platz zu suchen, setzte er sich auf eine der Ruderbänke und stützte seinen schmerzenden Kopf in die Hände. Dort lauschte er dem Meer, das den Schiffsrumpf umspülte, dem Wind, der um die Takelage heulte, und dem Schnarchen der Männer. Er sah zu seinem Seesack hinüber, der an den Balken gebunden unter Tirs Kopf lag. Das Bronzehorn ragte unter den Decken und Winterkleidern hervor, und er musste an den Abend denken, an dem Visikal ihm dieses Horn gegeben hatte. »Wenn du in dieses Horn bläst, wirst du den Namen deines Geschlechts hören«, hatte er gesagt. Damals hatte Bran sich nicht viel dabei gedacht, doch jetzt war Tirga ein Teil seiner Vergangenheit und das Horn eine Erinnerung an Visikal, den Skerg, der ihn in den Krieg getrieben hatte. Bran hätte niemals geglaubt, dass er den alten Skerg vermissen würde, doch jetzt fehlte er ihm. Er vermisste die Sicherheit, die er in Tirga gehabt hatte.
    Eine Windböe sang um den Mast. Das Schiff drehte, als es auf eine Welle emporgehoben wurde, doch das Steuerruder knirschte und richtete das Schiff sogleich wieder auf. Hagdar stand am Ruder, und Bran wusste, dass der große Mann den Kurs halten und das Schiff sicher durch die Dunkelheit führen würde. Trotzdem konnte er in dieser Nacht keinen Frieden finden. Es war eine Art Zittern in seinem Blut, ein kaltes Fieber, das ihn nicht zur Ruhe kommen ließ. Bran sah zu den Deckenbalken und den dicken Decksplanken empor. Sein rechtes Augenlid war schwer und drohte zuzufallen. Furcht, dachte er. Das war Furcht, was er spürte. Es war das gleiche bedrückende Gefühl, das er vor der Schlacht am Winterlager gehabt hatte.
    Er stieg in seine Stiefel und warf sich den Umhang um. Dann schlich er sich an dem Sandgraben entlang, trat zwischen Ken und Narien und kletterte die Leiter hinauf.
    Von Hagdar war nicht mehr als der schwarze Bart unter der Kapuze zu sehen. Bran ließ seinen Blick über das Meer gleiten, doch außer Nangors Schiff waren keine weiteren Langschiffe zu sehen.
    »Suchst du nach einem Ort, wo du pinkeln kannst?« Hagdar schob sich die Kapuze in den Nacken und grinste. »Du solltest da vorne auf die Tonne klettern, Häuptling.«
    Bran ging zu ihm hinüber, wobei er den Blick nicht vom Meer im Süden abwandte.
    »Ich habe keine Schiffe gesehen.« Hagdar kratzte sich im Nacken. »Ich habe überhaupt nichts gesehen. Cogga ist mindestens eine Tagesreise entfernt. Und wir sind nördlich daran vorbeigesegelt. Die Vandarer erwarten dort sicher keine Schiffe.«
    Bran stand lange da und starrte aufs Meer. Hagdar, der mit Bran gejagt hatte, seit dieser ein kleiner Junge gewesen war, kannte ihn besser als die meisten anderen und wusste, dass es wenig Sinn machte, mit ihm zu sprechen, wenn er in einer solchen Stimmung war. Also starrte Bran über das Meer, während

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