Das Verheissene Land
Wille der Namenlosen, dass er mit diesen Schmerzen lebte. Er fürchtete sich vor dem grauen Schleier, er hatte Angst, dass er zurückkommen und nie wieder verschwinden würde. Doch die Götter hatten keine Gnade mit den Mutlosen.
Bran spuckte in den Sand und rieb sich die Augen. Er wehrte sich gegen die schlimmen Gedanken. Eine Weile stand er da und lauschte den Wellen, die über den Strand spülten, ehe er sich wieder dem Schiffsrumpf zuwandte und in dem Spalt zwischen zwei Planken herumknibbelte. Das Schiff brachte ihn auf andere Gedanken; dieser Rumpf verhieß Hoffnung für ihn und sein Volk. Er neigte den Kopf zur Seite und ging um den Bug herum. Das Schiff war vollständig auf den Strand gezogen worden, so dass die Gezeiten es nicht aus dem Gestell heben konnten, mit dem es am Strand aufgerichtet worden war. Am Kielbalken lagen noch immer etwas Schnee und Eis, doch jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis die Männer das Schiff ins Wasser schieben konnten. Gemeinsam mit Dielan hatte er jedes einzelne Schott überprüft und sie mit geschmolzenem Harz abgedichtet. Sie hatten den Querbaum und die Taue geölt und die Frauen hatten die Segelränder mit Sehnen umnäht. Der Rumpf war von Muscheln befreit worden und Nosser, Vermer und Kaer hatten ihn mit dem zähflüssigen Teer bestrichen, den ihnen Nakkar gebracht hatte. Er stammte aus Old-Myre, erzählte ihnen der Hafenmeister, und dass er das Beste sei, um einen alten Rumpf abzudichten.
Bran ging bis zur Strickleiter und legte seine Hände um die groben Seile. Mit gewandten Bewegungen kletterte er empor, ehe er die Beine über die Reling schwang und an Deck trat. Er hob den Fetzen eines ledernen Umhangs an und roch daran, ehe er seinen Blick über das Schiff gleiten ließ. Es war den anderen Langschiffen sehr ähnlich, doch er glaubte, dass es älter war. Blutskalle hatte hier selbst am Ruder gestanden und die Reling zeigte Spuren von Schwerthieben und Pfeilspitzen. Der Skerg hatte es hart am Wind gesegelt und das Schiff die Wut der Feinde spüren lassen. Es war ein Wunder, dass dieses Schiff den alten Krieger überlebt hatte. Als Bran von Arborg herübergesegelt war, hatte er die kleinen Risse im Rumpf nicht bemerkt und sich nur wenig Gedanken darüber gemacht, dass der Querbaum knackte. Er war voller Stolz, sein eigenes Schiff zu segeln und glücklich, endlich wieder nach Hause zurückkehren zu können.
Er legte den ledernen Umhang ab und ging zur Luke. Dort setzte er seinen Fuß auf die oberste Stufe der Leiter, wischte sich die Nase ab und kletterte nach unten. Unter Deck war es dunkel, denn er wagte es nicht, ein Feuer zu entzünden, wenn er allein war. Doch er kannte dieses Schiff inzwischen in- und auswendig und fand sich hier unten im Dunkeln zurecht. Er stellte seine Füße in den Sandgraben, der vom Bug bis ganz nach achtern über den Kielbalken verlief, und duckte sich unter einem Taubündel hindurch, das von der Decke herabbaumelte. Der scharfe Geruch des Harzes lag schwer über den Ruderbänken an den Schiffsseiten. Er kratzte sich im Nacken und tastete sich an den Balken entlang, die das Deck stützten. Hier unten herrschte noch immer der Winter. Er atmete grau in dem schwachen Licht, das durch die Luke hereindrang. Während des ganzen Tages hatte die Sonne auf den Rumpf geschienen, doch noch hatte sie die Kälte nicht zu vertreiben gewusst. Sie war widerspenstig und trotzig, diese Tigam, und es hatte ihr ganz und gar nicht gefallen, am Strand liegen zu bleiben, als die Tirganer die anderen Schiffe ins Meer zogen. Bran lächelte über sich selbst. Seit den ersten Frühlingstagen hatten die Tirganer die Schiffe umschwärmt und er hatte mit den alten Skippern über Taue und Harz, Segel und Wetterzeichen sprechen können. Alle sprachen sie von ihren Schiffen wie von Frauen, und jetzt hatte auch er damit begonnen.
Bran trat über den Querbalken, der den Bugraum vom Rest des Schiffes abtrennte. Es war eigentlich kein richtiger Raum, sondern bloß ein kleiner Bereich, der durch ein Tuch, das von der Decke herabhing, abgetrennt wurde. Er schlug es zur Seite und berührte die Schiffswände. Das zähe Harz trocknete langsam, denn es klebte nicht mehr an seinen Fingern. Er kroch ganz nach vorn in den Bug und tastete mit den Fingern die Spalten zwischen den Plankenansätzen ab. Hier hatte er eine fingerdicke Schicht Harz aufgetragen, damit die Wellen nicht durch die Ritzen dringen konnten. Nangor hatte ihm das geraten, und Bran wusste, dass er gut daran
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