Das Verhör
wollte Trent auf den Jungen ansetzen, damit er ihn dazu brachte, seine Schuld einzugestehen. Diese Aussicht war fast ebenso verlockend wie die Vorstellung von einer Nacht mit erholsamem Schlaf.
Der Anruf von Detective Lieutenant George Braxton kam, unmittelbar nachdem Trent ein Mordgeständnis von Adolph Califer erhalten hatte, einem geachteten Börsenhändler, der schließlich zugab, seine Nachbarin erdrosselt zu haben, mit der er eine außereheliche Affäre gehabt hatte.
Das ganze Verhör hindurch hatte sich Califer großartig geschlagen, war Trents Fragen mit Gegenfragen ausgewichen oder mit Antworten, die im Grunde gar keine Antworten waren. Es war ihm gelungen, den Fallen auszuweichen, die Trent ihm stellte, und das schien ihm auch noch Spaß zu machen, so als handelte es sich um ein unterhaltsames Spiel. Es kam vor, dass er die Fragen nicht nur vorausahnte, sondern auch gleich voller Eifer beantwortete. So sicher war er sich seiner Verteidigungsstrategie, so zuversichtlich baute er auf seine Antworten.
Einen Augenblick lang hatte Trent sich gefragt, ob Califer sein erster Fehlschlag werden würde. Er dachte an die Reaktionen der anderen Leute von seinem Revier, der Schutzpolizisten wie der Kriminalbeamten, die sich ins Fäustchen lachen würden, wenn er versagte.
Die Polizeidienststelle Highgate war nur klein, jeweils mit lediglich zehn hauptamtlichen Polizisten besetzt, die für eine Kleinstadt in Vermont nahe der kanadischen Grenze die Verantwortung trugen.
Trent wusste, dass die anderen Beamten einen Groll gegen ihn hegten. Von Anfang an hatte er dem typischen Bild nicht entsprochen. Er hatte das College und sein Psychologiestudium an den Nagel gehängt, um sich einen Kindheitstraum zu erfüllen: Polizist zu werden. Dabei hatte er weiterhin Kurse belegt, während er sich vom Streifendienst zur Kriminalpolizei hocharbeitete und eine Karriere machte, die zwar nicht spektakulär, aber doch beachtlich war. Erfolge erzielte er vor allem bei der Befragung von Zeugen und Tatverdächtigen. Während der Skisaison im Winter schwoll die Einwohnerzahl von Highgate an, und Trent tat sich damit hervor, dass er einen Serienmörder dazu brachte, vier grausige Morde zu gestehen. Die Schlagzeilen, die darauf folgten, verbreiteten Trents Ruf weithin.
So kam es, dass er von anderen Dienststellen angefordert wurde. Er verfeinerte seine Techniken, befasste sich mit allen möglichen Befragungsmethoden und entwickelte schließlich sein eigenes System. Gelegentlich führte er Seminare durch und hoffte auf den Tag, an dem er dem Polizeidienst und der endlosen Litanei von Geständnissen entkommen konnte. Ihm war bewusst, dass er nur noch auf den richtigen Fall wartete.
In der Zwischenzeit gab es Califer.
Während Trent sich voll und ganz auf ihn konzentrierte, wurde er das Katz-und-Maus-Spiel leid. Er hatte noch ein Ass im Ärmel. Aber der Trick bestand darin, den Trumpf zur rechten Zeit auszuspielen, geduldig zu sein, den geeigneten Moment abzuwarten.
Und so ließ er Califer seine Versteckspielchen treiben. Verhöre erforderten innerhalb der Regeln und Vorschriften, die Trent entwickelt hatte, auch Flexibilität und Spitzfindigkeit. Und manchmal musste man sich auf ein Wartespiel einlassen, in dem Geduld das A und O war. Was Trent an Waffen zur Verfügung hatte, musste zum psychologisch richtigen Zeitpunkt ins Spiel gebracht werden. Die Waffen bestanden natürlich aus Informationen, von denen der Befragte nicht wusste, dass Trent sie hatte. Oder, noch häufiger, aus Kenntnissen über den Befragten, die Trent im Lauf des Verhörs gewonnen hatte.
In einem Augenblick der Unachtsamkeit, als Califer somit verwundbar war, führte Trent seinen entscheidenden Schachzug aus.
»Wie hieß Ihre Tochter doch gleich?«, fragte er. Ganz unschuldig, fast beiläufig.
Bestürzt drehte Califer den Kopf zur Seite, wandte zum ersten Mal während des Verhörs den Blick ab. Als er Trent wieder ansah, konnte er sein Erstaunen nicht verbergen. Trent erkannte, dass Califers Schutzwall zu bröckeln begann.
»Sie ist tot«, sagte Califer. Seine Stimme war tonlos, schicksalsergeben. Er ließ die Schultern hängen, das Kinn sank ihm auf die Brust.
»Ich weiß«, sagte Trent und legte sich einen tröstenden, teilnahmsvollen Tonfall zu. Das war nur eine von vielen Stimmen, die er im Umgang mit Tatverdächtigen einsetzte.
»Sie war erst fünf, als sie starb«, sagte Califer. Und jetzt brach ihm die Stimme.
Trent hatte den richtigen Moment
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