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Das Verhör

Das Verhör

Titel: Das Verhör Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Cormier
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können selbst bestimmen, welche Tür sich Ihnen öffnen soll. Das verlieh ihm den Energieschub, den er brauchte.
    »Holen Sie den Tatverdächtigen herein«, sagte er.

 
     
    Der Junge. Kurzes Verharren in der Tür, bevor er das Büro betritt. Etwas mager, die schwarzen Haare säuberlich gekämmt, blau kariertes Hemd mit offenem Kragen, Khakihose mit scharfen Bügelfalten.
    Trent stellte sich vor, dass die Mutter des Jungen ihn vor der Abfahrt zum Polizeipräsidium in Augenschein genommen, vielleicht noch seine Fingernägel kontrolliert hatte. Als sie sich die Hand gaben, kontrollierte Trent seinerseits die Fingernägel und stellte fest, dass es keinerlei Spuren von abgekauten Nägeln gab. Ein Hinweis. Alles war ein Hinweis.
    Trent führte ihn ins Büro. Der Junge ging mit zögerndem Schritt, die blauen Augen blinzelten im grellen Licht. Er wirkte eingeschüchtert, wie es zu erwarten gewesen war. Ein neugieriges Funkeln in den Augen, aber kein Misstrauen. Trent war Experte darin, Misstrauen aufzuspüren.
    Er setzte ein Lächeln auf und hieß den Jungen willkommen, indem er den Arm hob - eine Geste des Lobs, die er sich noch nicht verdient hatte.
    »Du bist Jason?« Er ließ den Nachnamen weg, schuf damit eine vertrauliche Atmosphäre, bewahrte für sich aber ein gewisses Maß an Autorität, indem er nur seinen Nachnamen preisgab. »Ich heiße Trent.«
    Er wies den Jungen mit einer Handbewegung an, sich zu setzen, und dirigierte ihn so geschickt, dass der Junge auf dem niedrigeren Stuhl landete. Trent nahm ihm gegenüber Platz und machte sich ein bisschen krumm, damit sein erhöhter Sitz nicht gleich zu erkennen war und auch später nur ganz unterschwellig.
    »Ich weiß deine Bereitschaft zur Mitwirkung sehr zu schätzen, Jason. Und ich werde mir Mühe geben, es so kurz und schmerzlos wie möglich zu machen. Es wäre wunderbar, wenn du Informationen liefern könntest, die dazu beitragen, denjenigen zu fassen, der dieses schreckliche Verbrechen begangen hat.« Der Tonfall mild, zwanglos.
    Der Junge nickte. »Ich hoffe, dass ich Ihnen helfen kann. Ich werde mein Bestes tun.«
    Seine ersten Worte. Wohlklingende Stimme. Ein kleines Schlucken, bevor er Antwort gab. Leichte Bewegungen der Hände, aber nicht abwehrend.
    »Davon bin ich überzeugt.«
    Jason sah sich mit einem schnellen Blick im Zimmer um, nahm es zum ersten Mal wahr.
    »Tut mir Leid, dass das Büro so klein ist«, sagte Trent. »Es werden alle Zimmer genutzt und wir haben dieses hier gezogen.« Das wir zielte darauf ab, dem Jungen das Gefühl zu vermitteln, dass sie das hier zusammen machten, als Partner, als Verbündete.
    Jason nickte wieder und schien etwas entspannter zu werden, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
    Trent hielt die Hand über die Aufnahmetaste des Kassettenrekorders. »Um der Genauigkeit willen nehmen wir unser Gespräch auf. Bist du damit einverstanden, Jason?«
    Der Junge nickte bestätigend.
    Trent betrachtete das vertrauensvolle Gesicht des Jungen, die weit aufgerissenen Augen, die ihm einen Unschuldsblick verliehen. War er wirklich unschuldig oder war das nur eine Maske? Trent war sich dessen bewusst, dass Menschen Masken tragen, und seine Aufgabe bestand darin, ihnen diese Masken wegzureißen. Wenn er sie nicht ganz entfernen konnte, dann doch so weit, dass ein Blick auf das Böse darunter möglich war. Steckte in diesem Jungen etwas Böses? War er einer bösen Tat fähig? Dazu sind wir alle fähig, dachte Trent und rief sich Carl Seaton ins Gedächtnis zurück. Die Unschuld in seinen Augen ähnelte dem Unschuldsblick von Jason Durrant.
    »Bleib ganz locker, Jason. Stell dir das hier einfach als ein Gespräch vor, nicht mehr und nicht weniger.« Trent setzte mit Bedacht seine Onkelstimme ein. »Wir werden uns über die Ereignisse am Montag unterhalten. Was du gesehen hast und woran du dich noch erinnerst.« Das Wort Mord vermied er bewusst, würde das ganze Verhör hindurch harmlose Bezeichnungen verwenden. »Mit der Erinnerung ist das so eine Sache, Jason.« Es war wichtig, Jason ständig mit Namen anzusprechen, persönlich zu sein, alles Unpersönliche zu vermeiden. »Die spielt uns manchmal einen Streich. Mit dem, woran wir uns erinnern oder glauben, uns daran zu erinnern. Und auch mit dem Gegenteil - was wir vergessen haben oder glauben, vergessen zu haben. Das wollen wir gemeinsam ergründen.« Dadurch wurden sie zu einem Team. »Stell dir das als ein Abenteuer vor.«
    »Ich hoffe, dass ich Ihnen helfen kann«, sagte der

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