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Das Verhör

Das Verhör

Titel: Das Verhör Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Cormier
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Abgesehen von alldem fühlte sich Jason auch noch als Versager. Er hatte niemand Verdächtiges gesehen.
    »Ich hab Ihnen ja schon gesagt, dass ich niemand Verdächtiges gesehen habe.«
    »Aber, Jason, wir wissen doch noch gar nicht, wie eine verdächtige Person möglicherweise ausgesehen hat. Ich rede nicht von einem Fremden, der in einem dunklen Gässchen lauerte. Wir haben schon geklärt, dass du dich nicht daran erinnerst, so jemanden gesehen zu haben. Aber ich suche nach etwas Zweifelhaftem. Nimm mal zum Beispiel einen Apotheker. Einen vertrauten Menschen, in dessen Laden, der Apotheke, du schon eingekauft hast. Er ist an sich nicht verdächtig. Aber mal angenommen, du hast ihn in einem anderen Kontext als in der Apotheke gesehen.«
    Er bemerkte den verwirrten Gesichtsausdruck des Jungen und erklärte: »Sagen wir mal, du hast ihn zu einer Zeit, in der er im Laden sein müsste, außerhalb der Apotheke gesehen. Sagen wir, du hast ihn plötzlich hastig durch den Park laufen sehen. Dann würde ein Mann, der an sich nicht verdächtig wäre, plötzlich zu einer zwielichtigen Gestalt, weil er an einem ungewöhnlichen Ort oder zu einer ungewöhnlichen Zeit etwas Bestimmtes tat. Nach so etwas suche ich. So, und jetzt sag mir, wen du am Nachmittag auf dem Weg zu Alicia alles gesehen hast.«
    Jason schöpfte wieder mehr Selbstvertrauen. Er würde Mr Trent haargenau berichten, was er gesehen hatte, und ihm die Entscheidung überlassen, ob etwas Verdächtiges dabei war.
    »Also, ich hab einen Briefträger gesehen. Ich weiß nicht, wie er heißt, aber ich hab ihn schon oft gesehen. Er trägt nicht bei uns in der Straße die Post aus, bringt aber den Läden und Bürohäusern in der Main Street ihre Briefe. Er hat Post ausgetragen, wie sonst auch.«
    »Wo hast du ihn gesehen?«
    »Er ist in das Gebäude zwischen dem Maklerbüro und dem Laden nebenan gegangen, wo die ganzen Kopiergeräte und Druckmaschinen stehen. Er hatte einen Stapel Briefe dabei.«
    »Dann war er also nicht in einem anderen Kontext?« Eine Testfrage, um sich zu vergewissern, ob der Junge die Bedeutung von Kontext verstanden hatte.
    »Genau. Er war dort, wo man ihn erwarten konnte, und tat auch das, was von ihm zu erwarten war.«
    »Ausgezeichnet«, sagte Trent.
    Und Jason lächelte befriedigt. Diesmal hatte er ausnahmsweise eine richtige Antwort gegeben, auch wenn er wusste, dass sie zu nichts führte und mit Sicherheit keine Hilfe für die Ermittlungen war.
    »Wer sonst noch?«, fragte Trent und verbarg seine Ungeduld hinter solchen Fragen.
    »Also, ein paar Leute aus meiner Schule.«
    »Waren sie allein oder zusammen ? Ich meine, hast du sie einzeln gesehen, getrennt voneinander?«
    »Also, zwei haben ihre Fahrräder geschoben. Ein Rad hatte einen Platten. Es waren Jungen, die ich aus der Schule kenne, aber ich weiß nicht, wie sie heißen...«
    »Jünger als du? Oder gleichaltrig?«
    »Jünger, vielleicht in der vierten oder fünften Klasse.«
    Und plötzlich sog Jason zischend die Luft ein, weil ihm eine Idee in den Sinn kam, deren Kühnheit ihn überwältigte. Gleichzeitig sah er, dass Mr Trent die Augen zusammenkniff, als hätte er irgendwie gesehen , wie sich die Idee in Jasons Kopf bildete. Was Jason gedacht hatte, was ihm den Atem raubte, war Folgendes: Er konnte jemanden erfinden, jemand Verdächtiges. Er konnte so tun, als hätte er doch einen Fremden in der Stadt bemerkt. Vielleicht einen fremden Jugendlichen, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Jemand, der diesen Mr Trent zufrieden stellte. Ihm zeigte, dass er wachsam gewesen war.
    Gleichzeitig wusste Jason jedoch, dass er noch nie ein guter Lügner gewesen war. Er wurde leicht rot, und wenn er jemanden hinters Licht führen wollte, begann eine Ader an seiner Schläfe gefährlich zu pochen. Zum Beispiel wenn er behauptete, er hätte seine Hausaufgaben schon gemacht, oder seinen Eltern weismachen wollte, er hätte überhaupt nichts auf.
    Wenn Lehrer in der Schule den Blick durch die Klasse schweifen ließen und nach verdächtigem Treiben Ausschau hielten, stieg Jason immer sofort die Röte ins Gesicht. Er hatte Angst, er könnte schuldig aussehen, obwohl er es gar nicht war. Wie sollte er dann diesen Mann anlügen können, der so einen durchdringenden Blick hatte und ihn ansah, als könnte er ihm direkt in den Kopf schauen, so wie er es auch jetzt wieder machte?
    Jason sah weg, senkte den Blick, gestand sich ein, dass er einfach nicht lügen konnte, nicht so tun konnte, als hätte er etwas

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