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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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gut, wenn die Frau führt die Konten. Vielleicht, du versuchst, eh?“
    Der Sommer neigte sich dem Ende. Charlotte arbeitete Seite an Seite mit Michael in der Gärtnerei, und ihre Beziehung festigte sich jeden Tag mehr, was sich nicht zuletzt in kleinen Gesten äußerte: einem liebevollen Blick quer über das Feld beim Anbinden junger Bäume, einem flüchtigen Kuss oder einem Klaps auf den Po im Vorübergehen. Es freute Charlotte, dass sie von Michaels Familie und allen Mitarbeitern gleichermaßen akzeptiert wurde. Die letzten Monate mit und bei den Mondragons waren die glücklichsten ihres Lebens gewesen.
    Sie konnte kein bestimmtes Datum nennen, an dem sie ins Geschäft eingetreten war. Der Prozess war schleichend verlaufen. Sie hatte zunächst im Laden ausgeholfen, an der Kasse gestanden und Regale aufgefüllt. Ihre Kenntnisse der Pflanzen samt ihrer lateinischen Namen zahlte sich jetzt aus. Wieder mal dankte sie ihrem Schöpfer für ihre rasche Auffassungsgabe. Sobald Luis sie schließlich als Mitglied der Mondragon-Mannschaft akzeptiert hatte, taten es alle anderen auch. Sogar Paco, der kleine, weise Vorarbeiter, der schon so lange dazugehörte, wie Michael denken konnte, zog den Hut, wenn sie vorbeiging.
    Eines Abends, als sie erschöpft mit Michael auf der Veranda saß, bat sie ihn, die Bücher führen zu dürfen. „Um ein Auge auf die Konten zu haben“, erklärte sie, als er verblüfft die Brauen hochzog. „Ich bin ausgebildete Buchhalterin, mein Lieber“, betonte sie stolz. Auf dem Gebiet war sie schließlich ein Ass.
    „Siehst du“, erwiderte er lächelnd, „das meinte ich, als ich davon sprach, immer wieder etwas Neues an dir entdecken zu wollen. Dass du Buchhalterin warst, ist allerdings eine ziemliche Überraschung für mich.“
    „Ich addiere und subtrahiere ganz gut … für ein Mädchen“, fügte sie spöttisch hinzu. „Raub mir nicht meine Illusionen. Oder denkst du etwa wie Luis, eine Frau tauge nur zum Kochen, Putzen und Kinder kriegen?“ Ihre Augen funkelten.
    „Nein, aber ich habe nichts dagegen, wenn sie das übernimmt“, erwiderte er. „Okay, ich kapituliere.“ Er hob verteidigend beide Hände, um ihre Schläge abzuwehren. „Die Bücher gehören dir. Ich beuge mich dankbar deiner Professionalität.“
    „Du wärst erstaunt, wie viel deine Mutter auf diesem Gebiet leistet.“
    „Nichts, was meine Mutter leistet, erstaunt mich. Und da du so gerne Büroarbeit machst, überlasse ich dir auch unsere Steuererklärung.“
    So erhielt Charlotte Einblick in die finanziellen Verhältnisse der Mondragons. Die einhundert Acres Land, die Luis geerbt und nie verkauft hatte, waren inzwischen sehr wertvoll. Wenn sie jetzt verkaufen würden, wären sie alle reich. Sie erfuhr, wie hart Luis bei der Gartenpflege in den Vororten gearbeitet hatte. Diesen Teil des Geschäftes führten jetzt Rosa und Manuel, zwar wirtschaftlich, aber fantasielos.
    Sie erkannte an den Unterlagen, wie weit das Wachstum der Landschaftsgärtnerei auf Michaels Einsatz zurückzuführen war. Er ähnelte seinem Vater mehr, als er wahrhaben wollte. Er lockte neue Kunden mit sanfter Überredung und machte ihnen seine Ideen schmackhaft. Ganz im Gegensatz zu Manuel, der wartete, bis ein Geschäft zu ihm kam, und mehr ausgab, als sein Budget erlaubte. Michael sprach bereits davon, im nächsten Sommer den jungen Cisco mit ins Geschäft zu nehmen, damit er die Grundbegriffe lernte.
    Wenn er von der Quelle unter ihrem Land redete, bekam er einen verträumten Ausdruck. „Frisches Bergquellwasser in unbegrenztem Vorrat. Und es wartet nur darauf, angezapft zu werden.“ Er zog sie in die Arme. „Da liegt unsere Zukunft.“
    Sie mochte es, wenn er von ihrer Zukunft sprach. Es klang, als pflastere er ihren Weg mit Gold.
    An einem ungewöhhlich kühlen Augustabend, als sie auf der Veranda saßen und den letzten Gesängen der Zikaden lauschten, sprach er vom Wunsch seines Vaters, er solle hier bleiben, den Betrieb übernehmen und ihm Erben schenken.
    „Ehrlich gesagt, hätte ich nie für möglich gehalten, dass mich der Gedanke mal reizt. Ich konnte es nicht erwarten, alldem hier zu entkommen. Ich hasste die harte Arbeit, die vulgäre Sprache der Männer und den Kommandoton meines Vaters. Aber das hat sich geändert“, erklärte er erstaunt, „weil ich hier etwas aufbaue, nicht nur das Geschäft. Der eigentliche Grund für meine veränderte Einstellung bist du.“ Er nahm sie bei der Hand und sah sie verliebt an.
    Der Gedanke, hier

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