Das verletzte Gesicht
nur zum Feiern gut,
Querida
. Er löst die Zunge und hebt die Stimmung. Wir werden den Blick auf die Berge genießen, etwas trinken, und dann darfst du dich an meiner Schulter ausweinen.“
Charlotte belohnte ihn für seine Bemühungen mit einem schwachen Lächeln. Er blickte schnell wieder auf die Straße, schniefte und wollte seine Rührung nicht zeigen. Er hatte das Glitzern von Tränen in ihren schönen Augen gesehen und litt mit ihr.
Von einem Fenstertisch im Café sahen sie der untergehenden Sonne zu. Während die Schatten im Raum allmählich länger wurden, erzählte Charlotte von ihrer Liebe zu Michael, und Bobby verfolgte, wie die Gefühle sich rasch und oft unerwartet in ihrem schönen Gesicht spiegelten. Sie beichtete, dass sie sich nie habe ausmalen können, jemand wie Michael würde sich in sie verlieben.
Bobby lauschte geduldig. Er verstand, dass sie diesen Prolog loswerden musste, ehe sie zum Kern des Problems vordrang. Als die Sonne versank und die Kerze auf dem Tisch kleiner wurde, nahm ihre Geschichte eine ungeahnte Wende. Charlotte umklammerte den Stiel ihres Glases und machte eine Pause, sich zu sammeln. Bobby beugte sich aufmerksam vor.
„Als ich klein war“, begann sie und starrte auf einen Punkt in der Ferne, „nannte man mich Charley, das Pferd …“
Charlotte beobachtete ihn, während sie von ihrer Kindheit erzählte. Sie bemerkte seine Verblüffung, als sie berichtete, wie sie von Jungen gehetzt und von Fremden verspottet worden war. Er lehnte sich im Stuhl zurück und lauschte betroffen dem Bericht über den chirurgischen Eingriff, wie Dr. Harmon den Kiefer gebrochen und Wangen- und Kinnpartie aufgebaut hatte. Als sie ihm mitteilte, was Dr. Navarro ihr soeben gesagt hatte, wusste sie, dass Bobby sie verstand.
Aufmerksam verfolgte sie seine Reaktion, um daraus Rückschlüsse auf Michaels zu ziehen. Als von seiner Seite keinerlei Tadel kam, sondern nur liebevolles Mitgefühl, brach sie, gerührt über so viel Verständnis, in Tränen aus.
„Warum ich?“ weinte sie und legte die Hände vors Gesicht. „Warum muss das jetzt passieren? Warum nicht im Alter? Dann hätte es mir nicht mehr so viel ausgemacht.“
„Es hätte dir etwas ausgemacht. Schönheit verliert man in keinem Alter gern.“
Sie ließ die Hände sinken und spreizte sie auf dem Tisch. „Was weiß dieser Navarro schon?“ begehrte sie plötzlich auf. „Er ist nur irgendein Kleinstadtarzt. Er weiß nicht mal, welche Tests man anwenden muss.“
„Er ist sehr intelligent, Charlotte, und hoch angesehen. Er ist an vielen Forschungsprojekten beteiligt. Wenn er dir sagt, du sollst die Implantate entfernen lassen, würde ich ihm glauben.“
„Du würdest ihm alles glauben, weil er dein Wunderheiler ist!“ giftete sie, in die Enge getrieben, zurück. „Du hast Angst, dass seine Kräuter und Tinkturen dich nicht heilen.“
Bobby nestelte an seinem Glas herum. „Ich glaube wirklich, seine Therapie hilft“, erwiderte er sanft. „Aber ich weiß, sie wird mich nicht heilen.“
„Tut mir Leid, Bobby“, entschuldigte sie sich sofort. „Verzeih mir, ich schlage um mich, weil ich solche Angst habe.“
„Natürlich hast du Angst. Die habe ich auch.“ Er beugte sich vor. „Ich bin Kunstliebhaber, wie du weißt. Ich begreife erst jetzt, was für ein Meisterwerk dieser Dr. Harmon geschaffen hat und was für ein Jammer es sein wird, es zu zerstören. Aber du musst es tun“, betonte er ruhig. „Es ist nur dein Gesicht, nicht dein Leben.“
„Nein?“
„Wieso fragst du?“
„Wie soll ich Michael all das erklären? Er liebt mein Gesicht.“
„Er liebt dich“, betonte Bobby. „Nicht nur dein Aussehen.“
„Du weißt nicht, wovon du sprichst. Du kannst dir nicht mal vorstellen, wie ich vorher aussah.“ Sie legte die zitternden Hände an die Schläfen. „Ich habe nicht irgendeinen kleinen Schönheitsfehler beheben lassen. Ich hatte eine echte Deformierung. Ich war hässlich, Bobby. Es gibt kein anderes Wort dafür.“
Bobby versuchte es zu verstehen. „Es ist schwer vorstellbar, dass unter diesem herrlichen Gesicht …“
„Genau. Ich sehe, wie du mich betrachtest. Als würde ich eine Art Maske tragen. Mir ging es genauso, als ich mich zum ersten Mal im Spiegel sah. Ich weiß, wie schwer es ist, dieses Gesicht nicht für etwas wie eine Fälschung zu halten.“
„Aber du sagst selbst, du hast dich daran gewöhnt.“
Sie schluckte trocken und dachte beklommen daran, wie es gewesen war, wenn Menschen
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