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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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du mich nicht vorbereitet? Warum warst du nicht ehrlich zu mir?“
    „Ich hatte Angst“, flüsterte sie. „Angst, dass du mich nicht lieben würdest.“
    „Es war falsch von dir, Charlotte, mich an der Nase herumzuführen und mir all diese Geschichten aufzutischen.“
    „Ich weiß. Es tut mir Leid, Michael, sehr Leid“, schluchzte sie.
    „Ich kann das alles nicht glauben.“
    „Ich bin trotzdem noch ich.“
    Er sah sie kurz forschend an und blickte aus dem Fenster. „Wirklich? Wer bist du denn, Charlotte?“
    Im Mondlicht sah sie sein Profil, die gerade Nase, die vollen Lippen. Sie sah, wie er mit sich rang, das alles zu begreifen, die richtigen Worte zu finden und so zu reagieren, wie sie es von ihm erwartete. Als sie Tränen in seinen Augen glitzern sah, brach es ihr das Herz.
    „Michael“, sagte sie eindringlich und richtete sich auf. „Sag mir, dass es keinen Unterschied ausmacht und du mich in jedem Fall liebst.“
    Er schwieg.
    „Bitte, Michael!“ Sie verabscheute es, so zu betteln. „Du verstehst nicht …“
    „Ich verstehe sehr wohl. Ich verstehe, dass unsere ganze Liebe auf einer Lüge basierte.“
    „Nein!“ Ihr war eiskalt. „Bitte sag so etwas nicht. Wie kannst du das behaupten?“
    „Ich brauche frische Luft.“ Er wandte sich ab und griff nach seiner Kleidung. „Ich muss nachdenken.“
    Sie hörte ihn in die Jeans schlüpfen und den Reißverschluss zuziehen. Arme glitten in Hemdsärmel, Füße in Sandalen. „Ich mache einen Spaziergang.“ An der Tür verharrte er, wie um etwas zu sagen, ging dann aber wortlos hinaus.
    Sie sah ihm nach, und es war, als schlösse sich eine Tür in ihrem Herzen. Sie wusste, er kam nicht zurück, nicht als derselbe Mann. Und selbst wenn, war es zu spät. Sein Schweigen sprach Bände. Er hatte den Handschuh nicht ritterlich aufgehoben. Es gab keinen Ritter, nur einen Drachen, der sie vernichtete.
    Michael eilte im Laufschritt durch das hohe Gras, das ihm in die Knöchel schnitt, auf den Wald zu. Er fühlte sich so gekränkt und hintergangen durch ihr spätes Geständnis, dass es ihm körperliche Schmerzen bereitete. Da half nur Marschieren und den Frust loswerden. Wie hatte sie ihn so belügen und manipulieren können? Und was sollte das überhaupt mit dieser Deformierung? Plastische Chirurgie? Charlotte hässlich? Unmöglich. Er konnte es nicht begreifen. Nein, nicht seine Charlotte. Aber war sie überhaupt seine Charlotte? Zum Kuckuck, er wusste wirklich nicht mehr, wer sie überhaupt war! Mit festen Schritten marschierte er weiter.
    Nach einer Weile bemerkte er, dass er bereits tief in den Wald vorgedrungen war, verlangsamte das Tempo und blieb schließlich stehen. Die Atmung wurde ruhiger, der Schweiß trocknete auf der Stirn, und sogar seine wütenden Gedanken legten sich. Die Stille der umgebenden Natur, die Majestät der alten Bäume waren Balsam für die Seele.
    Eine Hand an der Stirn, presste er die Augen zusammen. Sofort sah er Charlottes tränenüberströmtes Gesicht vor sich. Sie hatte ihn geradezu um Trost angefleht. Wie hatte er sie so zurücklassen können? Sie hatte gelitten, sie war krank. Was hatte sie noch gesagt, sie könne sterben?
    Er ballte die Hände und wütete gegen sich selbst und das Schicksal. Es war alles so unfair.
    Den Kopf gesenkt, machte er sich Vorwürfe, sie im Stich gelassen zu haben. Dieses schöne, geliebte Gesicht nicht mehr sehen zu können hatte ihm das Gefühl gegeben, betrogen zu werden. Doch die Vorstellung, sie zu verlieren, war … unerträglich.
    Ein Zitat von Robert Frost kam ihm in den Sinn. „Wir lieben die Dinge, die wir lieben, weil sie so sind, wie sie sind.“
    Natürlich musste er sofort zu ihr zurück und mit ihr reden. Er musste verstehen lernen. Zwar wusste er nicht, was er sagen und wie er reagieren sollte, doch er wusste, dass er sie liebte. Was tat er überhaupt hier draußen und bedauerte sich selbst, während Charlotte im Blockhaus weinte?
    Entschlossen marschierte er zurück. Während er über die Felder ging, sah er die kleine Hütte oben auf dem Hang im Mondschein. Silbrige Wolken zogen über den heller werdenden Himmel und bedeckten den sanft schimmernden Mond mit einem Schleier. Michael fröstelte bei der Vorahnung, einen Verlust zu erleiden.
    Nachdem ihre Tränen versiegt waren, schien eine betäubende Kälte in ihr aufzusteigen, ein Schutzwall gegen Emotionen. Sie wollte nur noch weg, ehe Michael zurückkehrte. Ihre Sachen würde sie später abholen lassen. Was sie betraf, hatte

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