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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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sich.“
    Erschrocken über den schroffen Ton, spürte sie sich erbleichen. Nicht nervös werden, sagte sie sich, spiel deine Rolle. Sie schritt mit einer Eleganz zum Sofa, die Grace Kelly neidisch gemacht hätte. Vor ihrem geistigen Auge sah sie, was er sah: die zu breiten Revers ihrer Jacke und die altmodischen Pumps. Sie hatte erwogen, sich neue Schuhe zu kaufen, stattdessen jedoch lieber anständig gegessen. Trotzdem bewegte sie sich, als trüge sie Haute Couture. Es kommt nicht darauf an, was du trägst, sondern wie du es trägst, hatte sie mal in einer Zeitschrift gelesen.
    Das Ledersofa seufzte, als sie Platz nahm und den Rock ordentlich unter die Schenkel stopfte. Man musste es ja nicht übertreiben.
    Ein Lächeln umspielte Freddy Walens Mund, dass sich der dunkle Schnauzbart hob. Sie argwöhnte, dass er sie durchschaute, jedoch mitspielte. Warum bloß? Er hatte dunkelblondes, grau meliertes Haar, das er zurückgekämmt trug. Vor allem die Gesichtsbehaarung verlieh seinem Aussehen jedoch etwas Einschüchterndes. Die dichten dunklen Brauen und der Bart waren ein deutlicher Kontrast zu den blassblauen Augen. Als er so auf sie herabsah, hatte sie das Gefühl zu schrumpfen.
    „Sie sehen gut aus, haben ein hübsches Gesicht und schöne Zähne“, sagte er zur Eröffnung und durchquerte den Raum. Er setzte sich auf das Sofa ihr gegenüber, lehnte sich zurück und breitete in einer besitzergreifenden Geste beide Arme über der Lehne aus. „Aber Ihre Füße sind zu groß, und Sie gehen wie ein Mann.“ Er drehte die Handflächen nach oben. „Alles in allem würde ich sagen, Harmon hat Recht. Aus Ihnen kann man was machen.“
    Verblüfft starrte sie auf ihre großen Füße.
    „Sie sind aus Chicago, richtig? Gute Theater dort. Im Brief steht, dass Sie in einer Art Off-Broadway-Produktion mitgewirkt haben.“
    „Ja, das stimmt.“ Irgendwie, fügte sie im Stillen hinzu und faltete die Hände auf dem Schoß.
    „Unterricht? Studioarbeit?“
    „Natürlich, steht alles in meinen Unterlagen.“ Charlotte beugte sich vor und holte sie aus ihrer Tasche.
    „Legen Sie alles auf den Tisch, ich sehe es mir später an.“ Er strich sich übers Kinn und betrachtete sie versonnen. Dann stellte er ihr ein paar Fragen nach Rollen, die sie gespielt hatte, sowie Umfang und Methode ihrer Arbeit. Auf dem langen Flug von Chicago hatte sie sich darauf vorbereitet und antwortete mit Bedacht. Sie war sich mit Dr. Harmon einig gewesen, die chirurgische Veränderung ihres Gesichtes zu verschweigen. Keinesfalls wollte sie als eine weitere auf Hollywoodgeschmack Getrimmte oder gar als Betrügerin dastehen. Dr. Harmon hatte sie gewarnt, sollten die Klatschmäuler etwas herausbekommen, würde man sie als Schauspielerin nicht mehr ernst nehmen, sondern nur noch nach ihren Narben suchen.
    „Kommen Sie, Sie brauchen hier nicht nervös zu sein“, machte Freddy Walen ihr Mut und missverstand ihr Zögern als Schüchternheit. Schwach lächelnd fügte er mit leuchtenden Augen hinzu: „Ihre Stimme ist auch gut. Sehr sexy.“
    Sie rückte sich zurecht, eine kleine Bewegung, die Distanz schaffte. Versuchte er sie anzubaggern? Seit Neuestem widerfuhr ihr das häufiger, bei jungen wie alten Männern. Allerdings starrte Freddy Walen weder auf ihre Brüste, noch rückte er ihr auf die Pelle. Er betrachtete sie, wie Dr. Harmon es getan hatte, klinisch, professionell.
    „Das sagte man mir bereits“, erwiderte sie ruhig.
    „Darauf möchte ich wetten. Das und vermutlich noch einiges mehr.“ Er wurde ernst. „Es ist jedoch unwichtig, ob Ihr Freund daheim oder der örtliche Priester Sie für das Größte seit Erfindung des Wagenrades halten. In dieser Stadt ist ausschlaggebend, dass die richtigen Leute – die mit Beziehungen – Sie für etwas Besonderes halten und Sie mit anderen wichtigen Leuten bekannt machen. Hier läuft alles über Beziehungen. Und …“, er lehnte sich zurück und überkreuzte die Beine an den Knöcheln, „… Talent schadet nicht.“
    Charlotte lehnte sich ebenfalls zurück. In diesem Punkt nahm sie die Herausforderung an. „Ich habe Talent.“
    Sekundenlang sahen sie sich in die Augen.
    Er war sehr interessiert.
    Sie war eifrig.
    Er hatte die Möglichkeiten.
    Sie die Fähigkeiten.
    Die Würfel fielen.
    Er strich sich noch einmal über das Kinn, griff nach dem Telefonhörer und fragte seine Sekretärin: „Hat Melanie Ward schon eine neue Mitbewohnerin gefunden? Nein? Dann pass auf, ruf sie an und sag ihr, dass ich jemanden

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