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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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glaubst, du weißt alles. Du willst dein Leben ändern? Dann du sollst wissen alles.“ Die Augen leicht verengt, zeigte sie vorwurfsvoll mit dem Finger auf sie.
    Charlotte wich zurück und wusste instinktiv, dass eine Kränkung folgte.
    „Dein Vater hat mich nicht geheiratet. Wegen dir musste ich verlassen meine Familie und mein Land. Ich habe alles zurückgelassen, um herzukommen und allein zu leben. Um dich zu bekommen. Dich! Ich hatte auch nur lausiges Empfehlungsschreiben. Es hat mir nicht geholfen. Ja, ich habe gelitten!“ Sie schlug die Hände vors Gesicht und weinte voller Selbstmitleid. „Dein Gesicht war Strafe für meine Sünde. Weil ich Kind bekommen habe außerhalb von Sakrament der Ehe.“
    Charlotte kam sich vor wie auf einem verrückten Karussell. Jemand schien zu rufen: „Bastard! Bastard!“ Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
    „Darum war ich gegen Operation“, jammerte Helena. „Gottes Wille sollte geschehen.“
    „Gottes Wille? Was ist mit deinem Willen oder meinem?“ Charlotte stieß sich vom Schrank ab, drehte sich um und wollte hinauslaufen.
    „Wenn du nach Kalifornien gehst“, rief Helena ihr nach, „du bist hier nicht mehr willkommen. Wenn du gehst, du bist keine Godowski mehr!“
    Charlotte blieb stehen, drehte sich langsam um und trotzte dem harten Blick ihrer Mutter. „Offenbar bin ich ohnehin keine Godowski“, erwiderte sie leise. „Ich weiß nicht, wer ich bin. Aber ich versichere dir, Mutter, ich werde es herausfinden.“
    Zwei Tage später kam Charlotte in Los Angeles an. Als sie, die Tasche in der Hand, aus dem Taxi stieg, hoffte sie, dass kein Passant ihr Herzklopfen hören oder ihre Verzagtheit merken konnte. Ein flüchtiger Blick auf die verknickte Visitenkarte in ihrer Hand, ja, das war die richtige Adresse: Freddy Walen, Talent-Agentur.
    Sie dachte an das kleine schüchterne Mädchen, das sie gewesen war, und hatte plötzlich Angst vor der eigenen Courage.
Was glaubst du eigentlich, wer du bist?
Nervös legte sie den Kopf weit in den Nacken, um an dem riesigen Granitgebäude hinaufzusehen. Nun ja, war das nicht genau die Frage, die sie beantworten wollte?
    Sie verdrängte die Erinnerung an das kleine Mädchen, betrat energisch das Gebäude, eilte durch die Marmorhalle und ließ sich vom Fahrstuhl in die obere Etage bringen, wo ein poliertes Messingschild sie informierte, dass sich hier die Büros von Freddy Walen befanden. Eine junge Frau mit ebenso üppigen Brüsten wie Lippen maß sie mit einem forschenden Blick.
    „Ich möchte Mr. Walen sprechen. Er erwartet mich.“
    „Ihr Name?“
    Charlotte wappnete sich vor Gelächter oder geringschätzigen Gesten, als sie ihren neuen Namen nannte. „Charlotte Godfrey.“
    „Sie können hineingehen“, sagte die Sekretärin, ohne aufzublicken. „Er erwartet Sie.“
    Mit Herzklopfen und Magenschmerzen mahnte sie sich zur Ruhe. Du bist vorbereitet. Du schaffst das. Sie zog ihre Jacke zurecht und ging erhobenen Hauptes an der Sekretärin vorbei. Nach kurzem Anklopfen betrat sie das Büro von Freddy Walen.
    Der Raum war entschieden maskulin mit einer Sitzgarnitur aus braunem Leder sowie Schreib- und Ecktisch in dunklem Holz. Über dem Sofa hing ein spektakulärer Marlin. An strategisch günstigen Plätzen waren Golftrophäen verteilt. Freddy Walen hatte offenbar ein großes Ego.
    Charlottes Blick huschte über die schwarz gerahmten Fotos an der gegenüberliegenden Wand. Einige Stars kannte sie, große Namen, viele längst vergessen oder verstorben. Wäre sie nicht ein alter Filmfan gewesen, sie hätte die meisten nicht gekannt. Sie entdeckte die vertrauten Gesichter einiger Charakterdarsteller, an deren Namen sie sich aber nicht erinnerte. Keine Wynona Rider, kein Brad Pitt, und auch sonst niemand aus der aktuellen neuen Schauspielerriege.
    Charlotte verzog die Lippen und bemerkte weitere, verräterische Details. Das abgewetzte Leder, die Staubmäuse in den Ecken und die sterbende Dieffenbachia am Fenster. Das hier war das Büro eines Absteigers. Schließlich war es schwer, eine Dieffenbachia umzubringen.
    „Willkommen in Kalifornien“, sagte eine Stimme aus der Ecke.
    Sie drehte den Kopf und entdeckte einen Mann mit breiter Brust, in den Fünfzigern. Er lehnte an der Wand und musterte sie. Auf eine geschniegelte, altmodische Art sah er gut aus. Die Sorte Mann, die Slipper an den Füßen trägt, weite, maßgeschneiderte Hosen und Kaschmirpullover, die die Muskulatur an Armen und Brust betonen.
    „Setzen Sie

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