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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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schwöre“, erwiderte sie ehrfurchtsvoll. Natürlich machte Freddy Walen dieses Angebot nicht der hässlichen, schüchternen Charlotte Godowski aus Chicago. Die wollte keiner. Solche Angebote bekamen nur hübsche, willensstarke Frauen wie Charlotte Godfrey.
    „Unser Abkommen geht über einen puren Vertrag hinaus. Es ist eine Verpflichtung mit Leib und Seele.“
    Sie wäre gern begeistert und impulsiv darauf eingegangen, doch inzwischen war sie vorsichtig geworden. Ihre natürliche Zurückhaltung war ein nützlicher Schutzschild für ihr sentimentales, romantisches Naturell. „Sie verlangen absolutes Vertrauen, Mr. Walen. Aber ich bin nicht mehr blauäugig. Schließlich geht es hier ums Geschäft.“
    Freddy lächelte, angetan von ihrer Intelligenz und Offenheit. „Miss Godfrey, hat man Sie jemals übers Ohr gehauen?“
    „Sogar über den ganzen Kopf, Mr. Walen. Sagen wir, unser Arrangement ist eine stillschweigende Übereinkunft.“
    Er lachte herzhaft und reichte ihr die Hand. „Also abgemacht?“
    „Mr. Walen“, erwiderte sie und schüttelte die Hand fest, „der Handel gilt.“
    „Kleines, Handel ist sozusagen mein zweiter Vorname“, scherzte er mit schiefem Lächeln.
    Freddy Walen fuhr Charlotte über den verstopften Freeway aus der Stadt, einen unwirtlichen Berg hinauf, zu ihrem neuen Zuhause. Der kraftvolle Mercedes meisterte die zahllosen Serpentinen zwischen Zypressen und Pinien mühelos. Gegen Ende der vierzigminütigen Fahrt bogen sie scharf in einen schmalen Weg ein, der kaum breit genug war für den schwarzen Wagen. Steine knirschten unter den Rädern, als sie einen letzten steilen Anstieg erklommen. Charlotte sah sich um und atmete tief durch, um ihren Puls zu beruhigen.
    Das Grundstück war vornehmlich mit hohem Gras bewachsen. In einiger Entfernung stand am Rande eines Hangs ein lang gestrecktes Haus aus den Sechzigern mit bröckelndem hellen Verputz. Den Eingang zierte eine breite, dicht von Blauregen umschlungene, verrottende Pergola.
    „Da wären wir“, erklärte Freddy und zog auf der steilen Zufahrt die Handbremse an. „Sieht nicht berühmt aus, ich weiß, aber es ist ein schöner Platz. Sehen wir’s uns an.“
    Während sie über den Kiesweg gingen, sah Charlotte, in welch schlechtem Zustand das Haus war. Die gelbliche Farbe an den kleinen Fenstern blätterte ab. In den Ecken der vorderen Terrasse lagen Schmutz und Abfall, und der Fliegendraht in der Tür war eingerissen und an den Ecken aufgebogen. Wenn sie große Erwartungen gehabt hätte, wäre sie über die Schäbigkeit ihrer neuen Bleibe enttäuscht gewesen. Doch sie hatte nichts erwartet.
    Für jemanden, der sein Leben in einer mickerigen Wohnung an einer Buslinie verbracht hatte, war das hier ein richtiges Haus. Sie schnupperte. Frühlingsduft lag in der Luft. In den austreibenden Bäumen sangen die Vögel, und Charlotte fühlte sich willkommen. Den Koffer in der Rechten, presste sie mit der Linken einen kleinen Margaritenstrauß ans Herz.
    Freddy schlug dreimal mit der Faust gegen die Eingangstür und wartete. Nach kurzer Zeit öffnete eine hübsche kleine Sexbombe mit rötlich blondem Haar und braunen Augen. Als sie Freddy sah, lehnte sie sich aufreizend gegen den Türrahmen. Unter dem übergroßen T-Shirt kam eine schmale Taille zum Vorschein.
    „Freddy … lange nicht gesehen.“
    „Melanie Ward, ich möchte dir Charlotte Godfrey vorstellen.“
    Charlotte lächelte höflich und fand Freddys Art stilvoll, wenn nicht gar galant.
    „Sie sind also meine neue Mitbewohnerin“, sagte Melanie und musterte sie ungeniert. Ihre Stimme klang unnatürlich, sehr hoch und hingehaucht. „Die hatte ich seit der Schulzeit nicht mehr. Jedenfalls keine weiblichen. Und fragen Sie nicht, wie lange das her ist. Ich bin kein Freund von Altersangaben.“ Mit dieser Erklärung stieß sie sich vom Türrahmen ab und reichte ihr eine zarte, üppig beringte Hand mit rosa Nägeln. „Also, Charlotte Godfrey, willkommen in L.A..“
    Charlotte merkte gleich, dass Melanie älter und welterfahrener war als sie. Ihr Alter ließ sich allerdings nur erahnen. Sie war angezogen, als sei sie bei Aerobicübungen gestört worden. Ihr hinreißender Körper war so straff wie der eines jungen Mädchens. In den von kleinen Fältchen umgebenen Augen las Charlotte jedoch eine Wärme, die nur einem großen Herzen entspringen konnte.
    Sie schüttelte ihr kräftig die Hand, dankbar für die herzliche Aufnahme.
    Melanie schien überrascht von Charlottes Überschwang.

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