Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
Vom Netzwerk:
dem absteigenden Ast befand. Wie Freddy mit Nachdruck betonte: „Ihre fünfzehn Minuten Ruhm sind vorüber.“
    „Nein, nicht jetzt. Ich will die alten Geschichten nicht aufwärmen.“ Da schwangen Bitterkeit und Zorn in ihrer Stimme mit. „Bleiben wir locker. Im Moment habe ich schon genug damit zu tun, dich nicht vor Neid zu hassen.“
    Charlotte sah auf ihre Hände. „Tut mir Leid, ich wollte nicht neugierig sein.“
    Melanie nahm, ernst geworden, ein Lidschattendöschen und tupfte das Bürstchen hinein. „Es muss dir nicht Leid tun. Meine Geschichte ist hier alltäglich. Ich kann es dir ruhig erzählen. Als ich herkam, hatte ich jede Menge Arbeit. Doch mit dem Älterwerden wurden die Rollenangebote dünner.“ Sie beugte sich vor und legte eine Lage Kakaobraun auf ihr Lid. „Und jetzt bin ich nicht mehr gefragt. Die meisten von uns schlagen sich Jahr für Jahr gerade so durch und nehmen hier und da eine Rolle an, was gerade geboten wird. Scheiße, Freddy ist es völlig egal, welche Rolle ich annehme. Und ich nehme alles, für jedes Geld. Freddy weiß das.“
    Melanie zuckte die Schultern und strich sich das Haar zurück. Die feinen Fältchen um die Augen kamen zum Vorschein. „Auf und Ab, Euphorie und Depression. Das einzig Beständige hier ist die Arbeitslosigkeit. Meistens ergibt sich aber doch hier und da etwas, um durchzukommen.“
    Charlotte bedauerte, das Thema angeschnitten zu haben. Sie wollte Melanie nicht traurig machen. „Ich bin voreilig. Freddy hat zwar diese vielen schönen Pläne für mich, aber das heißt nicht, dass sie wahr werden.“
    „Sie werden.“ Melanie atmete zittrig tief durch und sah Charlotte mit stark geschminkten Augen an. „Ich wusste es in dem Moment, als ich dich mit diesem seelenvollen Blick vor meiner Tür stehen sah. Freddy hat es auch erkannt. Alle werden es erkennen.“
    Charlotte wand sich vor Verlegenheit.
    Melanie betrachtete sie forschend. „Sei dir nur über eines klar, liebste Freundin. Ab jetzt werden dich die Männer anhimmeln und die Frauen von hinten erdolchen. Schönheit ist Macht, besonders in dieser Stadt. Also nutze sie, solange du kannst. Sie hält nicht ewig.“
    „Du siehst aus wie eine Göttin aus Elfenbein“, begeisterte sich Freddy, als er am folgenden Nachmittag in den Salon kam. Mehrere Stylisten umringten Charlotte, zupften Strähnen zurecht und tätschelten ihr die Wange.
    Freddy beobachtete sie abfällig. Sobald er mit Charlotte den Laden verlassen hatte, würden sie übereinander herfallen und sich streiten, wem das Lob gebührte, ein schlaksiges Mädchen in eine Göttin verwandelt zu haben. Gerüchte würden in Umlauf kommen, dass es eine viel versprechende Neue gab und dass sie zu Freddy Walen gehörte.
    Zugegeben, sie hatten ein kleines Wunder bewirkt. Charlottes feines blassgoldenes Haar war etwas gekürzt worden und hing leicht gewellt herab. Das weckte Erinnerungen an die junge Lauren Bacall oder Greta Garbo. Freddy gefiel das. Nicht nur, weil es zu Hollywood passte, sondern weil es ihr diese distanzierte Eleganz verlieh, die er suchte. Natürlich konnte nur jemand mit der absolut makellosen Schönheit einer Charlotte Godfrey diesen Look verkörpern.
    „Echt Klasse. Nimm deine Schultern zurück und hebe dein Kinn ein wenig. Geh wie ein Star, damit die Leute dich für einen halten. Wenn du die Schultern hängen lässt, hält man dich für einen Versager ohne Selbstvertrauen. Geh ein bisschen hin und her. So ist es gut, Kinn hoch“, mahnte er, als sie mit langen Schritten einherstolzierte. Sie verfügte über die natürliche Grazie eines Vollblüters. „Großartig“, erwiderte er und winkte ab. „Du begreifst schnell, das gefällt mir.“
    Er führte sie am Ellbogen in den Pausenraum der Angestellten hinter dem Salon. Charlotte sah sich in dem voll gestopften, schmuddeligen Zimmer mit dem alten Mobiliar um. Warum sich Angestellte, selbst eines so noblen Salons, mit solchen Bedingungen abfinden mussten, war ihr schleierhaft.
    „Wir müssen uns beeilen“, drängte Freddy. „Wir hinken unserem Zeitplan hinterher, und das Dinner ist auf sieben vorverlegt worden. Dolezal bringt ein paar von seinen Freunden mit.“ Nach einem raschen Blick auf die große Rolex an seinem Handgelenk runzelte er die Stirn. „Uns bleibt nicht genug Zeit, quer durch die Stadt und zurück zu fahren. Also zieh die Schuhe aus und leg die Beine ein bisschen hoch. Ich habe mit André vereinbart, dass wir den Raum benutzen dürfen. Und ich habe uns etwas zu

Weitere Kostenlose Bücher