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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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atmete flach, und ihre Kehle war wie ausgedörrt. Die Szene, die sie vortragen sollte, war nicht die, die sie ursprünglich vorbereitet hatte. Freddy war begeistert gewesen, weil sie die Studiobosse so von sich eingenommen hatte, dass sie sie für eine größere Rolle vorsprechen ließen. Dave Dolezal mit seiner Alkoholfahne und den sexuellen Annäherungsversuchen war ekelhaft gewesen. Es war ihr leicht gefallen, Freddys Rat zu befolgen, das Essen nur auf dem Teller herumzuschieben. Schwieriger war es gewesen, Daves Wurstfinger nicht mit der Gabel zu durchstechen, sobald er nach ihrer Hand griff.
    Freddy freute sich, wie Dave auf sie reagierte, und flüsterte ihr nach dem Dinner zu: „Es ist gut, einen solchen Mann auf deiner Seite zu haben.“
    Auf welcher Seite des Bettes? hatte sie sich gefragt.
    Das neue Drehbuch war ihr gestern Abend mit Sonderboten zugestellt worden. Obwohl es schwer gewesen war, die Szene rechtzeitig für heute vorzubereiten, hatte sie sich in ihre Heldin eingefühlt. Sie hieß Celeste und war die schöne, leicht neurotische Braut eines besitzergreifenden brutalen Mannes, der sie auf seinem Anwesen gefangen hielt.
    Es war eine kleine, aber bedeutende Rolle. Freddy nannte es ein „Filetstück“. Eine Rolle neben großen, hoch bezahlten Stars, was den Bekanntheitsgrad erhöhte.
    „Okay, dann los!“ rief der Regisseur.
    Charlotte rutschte mit Herzklopfen vom Hocker und begab sich auf die Bühne. Arme und Beine fühlten sich steif an, und ihr Kopf schien auf dem Hals zu wackeln. Im Kameralicht fand sie ihre Position nicht. Die Knie wurden ihr weich. Sie sah sich fragend, verunsichert um. Scheinwerfer und Kameras verschwammen vor ihren Augen.
    Fredddy spürte ihre Panik, eilte zu ihr und führte sie sacht weiter. Dabei flüsterte er ihr aufmunternd zu: „Denk nur an zwei Dinge.“ Er packte sie bei den Schultern, damit sie ihn ansah. „An die Zeit, in der die Heldin lebt, New York im Jahre 1897. Es herrscht viktorianische Moral, und du bist sehr, sehr reich. Zweitens, sei dir bewusst, wer diese Person ist. Ganz einfach, die Person bist du.“
    „Ich weiß nicht, wer das ist.“
    Er schüttelte sie leicht. „Du bist Celeste.“
    Sie sah ihn mit heraufdämmerndem Verständnis an.
    „Raus aus dem Set. Anfang!“ rief der Regisseur.
    „Du schaffst das.“ Freddy sah sie durchdringend an. „Du kannst das.“ Damit ließ er sie los und entfernte sich.
    Charlotte schloss die Augen und schottete sich von ihrer Umgebung ab, von Scheinwerfern, Kameras, Josef und Freddy. Sie zog sich auf jenen Punkt in ihrem Innern zurück, wo sie alle Erinnerungen bewahrte, die ihr lieb und teuer waren: Bücher, Musik, Erfahrungen. Von dort hatte sie Kraft geschöpft, wenn sie verspottet und gedemütigt worden war. Und plötzlich erkannte sie, dass sie von dort ihre Stärke und Inspiration als Schauspielerin schöpfen konnte.
    Ja, ich werde es schaffen, dachte sie leicht lächelnd. Frisur und elegante Aufmachung waren zweitrangig. Wenn die Scheinwerfer brannten und der Film lief, kam es nur auf sie an.
    Charlotte zog sich tief in sich zurück, wie sie es viele Male schon als Kind getan hatte. Dann, ganz langsam und vorsichtig, tauchte die Person Celeste auf. Sie öffnete die Augen, wie aus tiefem Schlaf erwacht, und ging geschmeidig auf ihre Position im Scheinwerferlicht. Gestik, Stimmlage und Betonung, all das war Celeste.
    Und Celeste wusste genau, was sie zu tun hatte.
    Es herrschte absolute Stille am Set. Alle schienen zu spüren, dass sie Zeugen einer bemerkenswerten Verwandlung wurden. Der Regisseur gab das Zeichen, die Kameras surrten, und Celeste begann mit ihrer schönen klaren Stimme zu sprechen.
    Freddy sah sich die Aufnahmen unter anderem mit Regisseur Sam Bonnard, Dave Dolezal und Josef Werner an, der darauf bestand, die Tagesarbeit zu sichten. Als die Szene begann, gab es ein Raunen, dann völlige Stille. Charlotte wirkte im Film noch strahlender als in Natur. Es musste an ihrer schimmernden Haut liegen. So etwas gab es nur selten, früher bei Greta Garbo und Marilyn Monroe, heute bei Uma Thurman. Die Kamera liebte Charlotte, und Charlotte brachte die Leinwand zum Leuchten. Ihre Stimme war leise und verführerisch mit natürlicher Kadenz. Sie hatte eine erotische Ausstrahlung – gepaart mit ihrer Unschuld war das eine hinreißende Mischung. Er beobachtete die Männer im Raum und merkte, dass Charlotte auf alle dieselbe Wirkung hatte. Einige rutschten unruhig auf ihren Sitzen.
    Erfreut sah Freddy

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