Das verletzte Gesicht
ist schön. Und dann frage ich mich wieder, was tue ich eigentlich hier? Ich bin Architekt. Ich habe mich ein Leben lang auf diese berufliche Karriere vorbereitet. Ich habe hart gearbeitet, studiert und meine Flucht aus dem Familienbetrieb geplant. Ich dachte …“ Er blickte über die Schulter zum Haus der Eltern. „Ich dachte, ich könnte mehr als das hier.“
Bobby schnaubte. „Du redest wie ein echter akademischer Snob.“
„Was soll das denn wieder heißen?“
„Wer hat dir weisgemacht, du wärst zu gut für Gartenarbeit?“
„So klar hat das niemand gesagt, aber die Botschaft war deutlich.“
„Wie alt bist du eigentlich? Und du kümmerst dich immer noch darum, was die Leute mal gesagt haben? Ich will gar nicht erst davon anfangen, was man zu mir schon alles gesagt hat.“
Michael hörte da keinerlei Selbstmitleid heraus und war beschämt. „Wenn ich bleibe, habe ich versagt.“
„Faszinierend. Du glaubst, dein Erfolg hier ist unter deiner Würde? Das ist ja ganz was Neues, Versagen durch Erfolg.“
„Tatsächlich ist Erfolg im Versagen eine alte japanische Vorstellung. Persönlichen Erfolg – oder Ehre – zu erringen, während dich die Welt als Versager einstuft, gilt als nobel.“
„Gut herausgeredet.“ Bobby legte den Hammer elegant in die Werkzeugkiste zurück.
Michael verzog die Lippen und ließ den Blick über die frisch bepflanzten Hügel schweifen.
„Ich habe Papa versprochen, ihn zur Melton-Farm zu bringen, damit er neue Hühnchen holen kann. Mama will mehr Eier, um mich zu mästen.“ Lachend ging er und legte Michael im Vorübergehen eine Hand auf die Schulter. „Ich verstehe das mit dem Erfolg im Versagen. Sieh dir mein Leben an. In gewisser Weise hat mir die Krankheit die Augen geöffnet. Ich bin nicht mehr verdammt, morgen zu sterben, aber kuriert bin ich auch nicht. Jeder Tag kann mein letzter sein. Darin unterscheide ich mich nicht von dir oder jedem anderen. Wie ich es sehe, gibt es weder Erfolg noch Versagen, sondern nur Leben, und das jeden Tag, so gut wir es vermögen.“ Mit einem Klaps auf Michaels Schulter ging er den schmalen Pfad zurück zum Haus der Eltern. Stirnrunzelnd nahm Michael noch einen Schluck aus der Flasche, lehnte sich an die Hütte und legte den Kopf gegen das kühle raue Holz. Bobby hatte Recht, er war ein akademischer Snob. Während seiner Studienjahre an den besten Universitäten – Harvard, Wharton, Oxford – hatte er Stück für Stück Wissen und damit Selbstsicherheit aufgebaut. Er hatte Gelehrtenwissen gehortet und sich in der Gemeinschaft studierter Männer und Frauen wohl gefühlt. Sie waren seine Familie geworden.
Doch seit seiner Rückkehr merkte er, dass sie nicht seine Familie waren. Das Gesicht eines Professors verströmte nicht dieselbe Freundlichkeit wie die Gesichter der Lieben daheim. Ein schlaffer Händedruck unter Kollegen verblasste gegenüber den gefühlvollen Umarmungen der Angehörigen.
Warum hielt er sich für einen Versager, wenn er nicht auf seinem akademischen Gebiet erfolgreich war? Weil man ihm ein Leben lang eingetrichtert hatte, dass die Arbeit auf akademischen Feldern der auf echten überlegen war?
Aber verschaffte ihm das eigenhändige Bauen dieses Blockhauses nicht ebenso viel Befriedigung wie das Entwerfen von Wolkenkratzern auf Papier? Dieses Haus hatte nur zwei Schlafräume, einen großen zentralen Raum mit einem massiven Kamin und eine breite Veranda vor der Tür, mit Blick über das duftende Tal. Er schaute über die wohl bestellten Felder ringsum. Verglichen mit den verdorrten Pflanzen bei seiner Ankunft standen dank des neuen Bewässerungssystems jetzt alle Büsche, Bäume und Blumen in sattem Grün. Und Bobby … dem ging es so gut wie seit Jahren nicht mehr. War das etwa kein Erfolg?
Er wusste es nicht. Nachdem er ein Leben lang nach akademischem Wissen gestrebt hatte, erschütterte es ihn, diese Frage nicht beantworten zu können.
Vicki Ray war in Frankreich, um für „Entertainment Tonight“ über die letzten Drehtage des Films
Camille
zu berichten. Soweit sie in Erfahrung bringen konnte, hatten die Dreharbeiten Charlotte Godfrey beinah umgebracht.
Joel Schaeffer, der Regisseur, unter dem Druck ein Meisterwerk abzuliefern, trieb die Schauspieler an und ließ die Szenen gnadenlos wiederholen, bis sie seinen Ansprüchen genügten. Niemand bezweifelte Joels Genie. Drehbuchautoren standen bereit, Kameraleute waren in Hab-Acht-Stellung. Einer kleinen Gruppe von Ortsansässigen gestattete man,
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