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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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dringende Bedürfnis, irgendwem die Schuld zu geben.
    »Weil sie von Anfang an von einem Ben gesprochen haben, nie von Cintho. Sie wussten also, wer er wirklich ist.
Alles andere hätte Finta ohne Umwege an den Galgen neben Ben gebracht.«
    »Und warum hat er uns nicht früher Bescheid gegeben?«
    »Wie denn? Er wusste nicht, ob er nicht beobachtet wird, er konnte die Nachricht nicht selbst aus dem Haus bringen, um euch nicht alle in Gefahr zu bringen. Ich war nicht da, bin erst heute früh heimgekehrt, und sonst kann er doch niemandem trauen. Niemand sonst weiß von euch.«
    »Ja, aber hier ins Lagerhaus?«
    »Wohin denn sonst?« Nesto wirkte verzweifelt. »Wir wussten doch nicht, wo ihr seid, das hat Ben nie verraten. Vermutlich noch immer auf der Insel, aber wie sollten wir da hinkommen ohne Drachen? Mit einem Schiff würden wir absaufen!«
    »Verdammt!« Yanko trat einen Stapel Kisten um. Seine Wut galt weder Nesto noch Finta.
    »Ich bin so froh, dass ich euch getroffen habe«, sagte Nesto. »Wir müssen Ben da irgendwie heraushauen. Ich dachte, am besten ist der Moment, wenn er das Kloster verlässt.«
    »Du hast einen Plan?« Plötzlich wurde Yanko von Dankbarkeit gegenüber Nesto gepackt.
    »Vielleicht«, sagte Nesto, und Yanko beschloss, dieses Wort fortan aus ganzem Herzen zu hassen. Warum konnte er nicht einfach Ja sagen?
    Nesto erklärte ihnen, dass ein Verurteilter üblicherweise bis kurz vor der Hinrichtung im Kloster blieb. Von dort wurde er kurz vor Mittag mit der Kerkerkutsche in die Stadt gefahren, wo bereits die neugierige Menge und die Galgen auf dem Tempelplatz warteten. »Üblicherweise wird die Kutsche bewacht, aber mit vier geflügelten Drachen sollten wir die Ritter doch überraschen können.«

    »Drei«, berichtigte Yanko. »Aiphyron ist doch nicht mehr bei uns. Haben die Ritter wirklich nichts über ihn gesagt?«
    »Nein. Sie haben Ben geschnappt, als er sich ins Kloster einschleichen wollte. Mehr weiß ich nicht.«
    Was hatte Ben nur im Kloster gewollt, wenn die Ritter Aiphyron nicht hatten? Yanko verstand es nicht. Aber das konnte ihnen Ben ja später selbst erklären. Jetzt, da sie wussten, wie sie ihn befreien konnten, würde alles gut werden. Dankbar umarmte er Nesto und ließ sich die Kerkerkutsche und deren üblichen Geleitschutz genau beschreiben. Bis zum Abend hatten sie einen ausgefeilten Plan entwickelt, und Nesto hatte ihnen auch von seinem und Bens Überlegungen berichtet, das Schmiedefeuer zu stehlen.
    »Das ist gut.« Yanko nickte. »Aber bis Ben gerettet ist, interessiert mich nichts anderes als seine Befreiung. Keine Blausilberklingen, keine Wahrheit.«
    Er und Byasso huschten über die Mole davon.

DER LETZTE WUNSCH
    A m Tag seiner Hinrichtung saß Ben bei Sonnenaufgang mit angezogenen Beinen auf der Pritsche, die Wangen auf die Knie gepresst. Die ganze Nacht hatte er an Anula gedacht oder an seinen Tod, an all die Drachen, denen er nun nicht mehr die Flügel zurückgeben konnte.
    An Aiphyron.
    Wieso musste er sterben, bevor er ihm die Freiheit zurückgegeben hatte? Er kniff die Augen zusammen, um nicht zu weinen, das hatte er in der Nacht genug getan. Die Ritter mussten jeden Moment kommen, und sie sollten seine Tränen nicht sehen.
    Für einen wahnwitzigen Moment hatte er davon geträumt, seine Freunde würden ihn hier herausholen, aber die ganze Nacht war es ruhig geblieben. Niemand hatte an der Kerkertür gerüttelt, niemand versucht, in das Kloster einzudringen. Woher hätten sie auch wissen sollen, dass er hier gefangen war?
    Wieder dachte er an Anula und daran, dass er sie nicht wiedersehen würde, dass seine Angst, sie könnte ihn verlassen, unbegründet gewesen war. Nun würde er sie verlassen, wenn auch nicht freiwillig.
    Yanko hatte gesagt, Heldentaten seien gut, um eine Frau zu beeindrucken.
    »Nur solange man dabei nicht stirbt«, murmelte Ben und wollte lächeln, doch das gelang ihm nicht. Yanko würde er auch vermissen.

    Zumindest hatte er ihn und Nica am Vortag nicht verraten.
    Er hatte Angst vor der Befragung gehabt, an Daumenschrauben und den schrecklichen Hauch weißer Drachen gedacht, und dann war alles ganz anders abgelaufen. Zwölf Knappen in seinem Alter hatten nacheinander versuchen dürfen, ihm die Wahrheit zu entlocken, ohne Gewalt anzuwenden. Es war nichts anderes gewesen als eine Unterrichtsstunde zur Wahrheitsfindung ohne Folter.
    Der Hohe Abt Khelchos nahm anscheinend weder Ben noch seine Freunde sonderlich ernst und war auch nicht besonders

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