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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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Unwissenheit zerrte an ihnen. Wie sollten sie ihren Freunden helfen? Sie wussten nicht einmal, wo sie sich befanden.
Klar war nur, dass sie die Bucht nicht mehr als Versteck nutzen konnten.
    »Und deshalb muss einer von uns jetzt los. Jetzt sofort, bevor die Sonne aufgeht«, sagte Yanko und erhob sich. »Sicher landen können wir nur an der Mole, und das geht nur in der Nacht.«
    »Sidhy und Byasso sollten gehen. Sie sind auf keinem Steckbrief, niemand wird sie erkennen«, sagte Nica.
    »Aber es ist auch andersherum, sie kennen niemanden«, wand Yanko ein. »Ich gehe. Ich pass schon auf, dass ich keinem Ritter in die Arme laufe.«
    »Deine Art aufzupassen kenne ich«, murrte Nica. »Ich komme mit.«
    Yanko schüttelte den Kopf. »Du nicht. Wenn sie Ben haben und ihn mit dem Steckbrief in Verbindung bringen, dann suchen sie nach dir und mir. Dann bringst du mich eher in Gefahr, als eine Hilfe zu sein.«
    »Aber nach zwei Jungen suchen sie nicht. Ich komme mit«, sagte Byasso, ohne dass ihn jemand einen Feigling nennen musste.

HOHER BESUCH
    B en hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Der Steinboden der Zelle war kalt und die schmale, nackte Pritsche aus ungehobeltem Holz hart. Immer wieder verfluchte er den dummen Zufall, der diesen Ritter genau zum selben Zeitpunkt ins Kloster geführt hatte wie ihn. Wahrscheinlich würde der Kerl das ein freundliches Schicksal nennen oder Hellwahs gütige Vorsehung und sich für einen tollen Helden halten, obwohl er nur Glück gehabt hatte.
    Wütend schlug Ben mit der Faust gegen die Pritsche und rieb sich dann die schmerzende Hand. Wie hatte er nur so dumm sein können, einfach loszurennen, ohne einen vernünftigen Plan zu haben? Ohne auf Unterstützung zu warten? Er war ein höhlenköpfiger Buckelochse. Andererseits war er doch problemlos ins Kloster gekommen, er hatte sie ausgetrickst und wäre ohne diesen Ritter sicher entkommen. Wer konnte denn mit ihm rechnen? Vierzinnen war weit weg, und nur das Dutzend Ritter dort hatte ihn mit kurzen Haaren gesehen. Niemand sonst hätte ihn erkannt.
    Draußen ging eben die Sonne auf, und die Ritter feierten dies mit einem Gebet zu Hellwahs Ehren. Dumpf drangen die rituellen, gemeinsam gesprochenen Worte zu ihm herein, doch so undeutlich, dass er sie nicht verstehen konnte. Weiter weg fauchten Drachen, ein einsamer Hahn schrie, Pferde wieherten hungrig, und dann war die Morgenandacht vorbei, und der Tag begann mit müde marschierenden Knappeneinheiten vor Bens Fenster.

    »Du hast Besuch«, sagte da der griesgrämige, glatzköpfige Kerkermeister des Ordens, der plötzlich an die Gittertür von Bens Zelle getreten war. »Hohen Besuch. Also geh’ auf die Knie.«
    »Ich soll vor dir knien?«, fragte Ben angriffslustig.
    »Nicht vor mir, Ketzer«, knurrte der Kerkermeister und hob einen unterarmlangen Holzknüppel, mit dem er seinen Willen gegenüber den Gefangenen durchzusetzen pflegte. »Knie vor dem Hohen Abt Khelchos, in dessen Gewalt du bist.«
    »Lass gut sein, Bruder Kerkermeister«, sagte da eine salbungsvolle Stimme, und der Hohe Abt trat ebenfalls vor das Gitter von Bens Zelle. »Die Ehrerbietungen von Ketzern sind vollkommen nutzlos. Ihr Kniefall ist nichts weiter als eine Lüge, und ich beginne ein Gespräch ungern mit einer solchen.«
    Herausfordernd starrte Ben den Hohen Abt an. Er war ein Mann von vielleicht fünfzig Jahren mit freundlichen roten Pausbäckchen und großen braunen Augen, die lebendig funkelten. Seine bartlosen Züge waren weich, die Nase gerade und das graue Haar noch immer voll. Es trug eine Rittertunika, die mit breiten Zierborten aus Goldfäden ausgestattet war, und um den Hals eine schwere Goldkette mit dem Symbol eines Drachenkopfs, der von einer Sonne umrahmt war. An jedem Finger steckte ein großer Ring, und an seinem breiten Gürtel hing ein Schwert mit aufwändig verziertem Griff. Auch wenn es in einer Scheide steckte, wusste Ben, dass die Klinge aus Blausilber war. Trotz der eher freundlichen und gemütlichen Gesichtszüge strahlte der Mann Macht aus.
    »Ich freue mich, dass du hier bist, Ben.«

    Ben schnaubte. »Ich mich nicht.«
    Auf Khelchos’ Lippen zeigte sich ein feines Lächeln. »Du bist stolz und widerspenstig. Das ist gut. Das gefällt mir.«
    Dir? Was gefällt dir denn daran?, dachte Ben. Du willst deine Knappen doch stolz, aber gehorsam. Doch laut sagte er nichts.
    »Wusstest du, dass der Hohe Abt Morlan, der das Kopfgeld auf dich ausgesetzt hat, inzwischen leider verstorben ist?«,

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