Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
Vom Netzwerk:
Irgendein anderer Unschuldiger wird sich schon fangen lassen.«
    »Ach, Ben. Du hättest noch viel zu lernen über die Welt und wie es in ihr zugeht. Wenn du Zeit dafür hättest.«
    Ben schnaubte und sagte nichts. Das alberne Gespräch hatte doch keinen Zweck.
    Inzwischen hatten sie das nächste Gebäude betreten, und langsam näherten sie sich dem Ende der allerletzten Stallgasse, da bemerkte Ben einen feinen Geruch nach Blut und Eiter in der Luft. Ein Stück vor ihm erklang ein schmerzerfülltes Fauchen.
    Aiphyron, dachte Ben für einen Moment, seine Wunden waren frisch. Doch dann bemerkte er einen felsgrau geschuppten Drachen mit gebirgsbachklaren Augen, der höchstens sieben Schritt maß. Seine rechte vordere Pranke war aufgerissen, die Wunde tief, die aufgelegten Kräuter nutzlos. Er musste schlimme Schmerzen haben.
    »Darf ich zu dem Drachen hinein?«, fragte Ben, ohne nachzudenken. Wenn er noch etwas letztes Sinnvolles tun konnte und die Schmerzen lindern, war das gut.
    »Noch ein Wunsch nach dem letzten Wunsch?«, fragte der Abt spöttisch.
    »Bitte.« Zum ersten Mal, seit er gefangen genommen worden war, bat er um etwas, und das schien den Abt zu überraschen. Langsam nickte er, und Ben öffnete vorsichtig die Tür.
    »Ganz ruhig, Junge«, sagte Ben und berührte ihn zuerst an den beiden Schulterknubbeln, sandte seine Heilkräfte aus. »Ganz ruhig.«

    »Der will sich nur Glück herbeirubbeln«, raunte ein Ritter dem anderen zu.
    »Etwas spät«, gab der gehässig zurück. »Hätte er machen sollen, bevor wir ihn erwischt haben.«
    Überrascht starrte der Drache Ben an und begann tief zu schnurren.
    Ben ging neben ihm in die Knie und griff nach der Klaue, die der Drache ihm bereitwillig hinhielt. Bedächtig legte Ben die Hände auf den tiefen Riss, die Schuppen rechts und links davon waren glatt wie geschliffene Steine in einem sprudelnden Bach.
    Augenblicklich spürte er das vertraute Kribbeln, das mit seinen Heilkräften einherging, und packte fester zu. »Ganz ruhig.«
    Der Drache sah ihn hoffnungsvoll an und schnurrte weiter. Ben musste schnell sein, er wusste nicht, wie viel Zeit der Abt ihm in der Box gönnen würde. Er schloss die Augen und sperrte die Welt aus, konzentrierte sich. Er begann zu zittern und ärgerte sich, dass er nichts gegessen hatte und nun so schwach war.
    »Heile«, raunte er fast tonlos und spürte, wie sich die Wunde langsam schloss.
    »Bei Hellwah«, entfuhr es dem Abt, und auch die Ritter keuchten vor Überraschung und machten das Sonnenzeichen vor der Stirn.
    »Kein Wort davon zu irgendwem«, befahl der Abt.
    »Ja, Herr«, sagten die Ritter einstimmig und schlugen die Hacken zusammen.
    »Und du, Junge, sagst mir sofort, was du da tust.« Die Stimme des Abts war schneidend. Schwang in ihr sogar ein wenig Angst mit?

    »Ich heile«, antwortete Ben schlicht und hielt die Pranke weiter umschlossen.
    »Jetzt verstehe ich, warum Morlan dich so besessen gejagt hat. Und ich denke, du solltest sofort aus der Box herauskommen. « Mit zusammengekniffenen Augen starrte er ihn an. Gier funkelte in ihnen. »Es wird Zeit, dass ich dir selbst ein paar Fragen stelle. Und zwar ganz anders als die Knappen. Mir wirst du antworten.«

VERKRUSTETE GESICHTER
    K einer von ihnen hatte besonders gut geschlafen, und nun wollte die Zeit bis zum Aufbruch einfach nicht verrinnen. Byasso und Sidhy waren noch vor Sonnenaufgang über die Mole in die Stadt gelangt, um sich bei der geplanten Hinrichtung unter das Volk zu mischen. Sie sollten sich umsehen und auf alles Unvorhergesehene achten. Auch wenn nichts Unvorhergesehenes passieren durfte, wollten sie Bens Leben retten.
    »Du willst wirklich mit?«, fragte Yanko.
    »Natürlich. Es geht um Ben.« Anula blitzte ihn an. Von ihrer Angst, erneut dem Orden in die Hände zu fallen, war nichts mehr zu sehen, nur wilde Entschlossenheit. Mit den Fingern rührte sie seit Minuten in einer großen Trollschale, in der sie Wasser mit feiner grauer Erde gemischt hatte, sodass sich ein klebriger Brei ergab. Gründlich zerdrückte sie jeden Klumpen, dann trug sie die zähe Masse langsam auf das Gesicht auf. Ihre auffällig glitzernde Haut verschwand unter einer Schicht dunklen Schlamms, nur die blitzenden Augen, der verbissene Mund und die Nasenlöcher blieben frei. Das schwarze Haar fiel ihr offen über die Schultern, in den vordersten Strähnen klebte Schlamm.
    »Du siehst zum Fürchten aus.« Yanko lächelte.
    »Gut«, sagte Anula.
    »Das ist wirklich gut«, sagte Nica

Weitere Kostenlose Bücher