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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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Kutsche auf dem Boden auf. Jetzt musste es schnell gehen. Wie abgesprochen zertrümmerte Marmaran mit einem wuchtigen Tritt die Deichsel, und Anula schrie die Pferde in die Flucht oder auch nur ihre Wut hinaus. Im selben Moment stieß Juri die beiden überraschten Ritter vom Kutschbock. Fluchend stürzten sie zu Boden, doch da sie nur das leichte Kettenhemd für festliche Anlässe trugen, rappelten sie sich schnell wieder auf und zogen die Schwerter.

    »Tod dem Samoth!«, schrien sie, und Marmaran fauchte sie an, während er seine Klauen wie Juri auf das Kutschendach setzte.
    Die Kutsche war massiv, nirgendwo war ein Fenster angebracht; wahrscheinlich zur Strafe: Den Verurteilten sollte Hellwahs Licht vorenthalten werden. So war es jedoch schwierig, einen sicheren Griff zu finden. Während die Drachen noch nach Ritzen und stabilen Verzierungen tasteten, in die sie ihre Klauen krallen konnten, sprang ein Ritter tollkühn auf den Kutschbock, von dem aus er Juris Flügel mit dem Schwert erreichen konnte.
    Yanko wollte etwas nach ihm schmeißen, hatte jedoch nichts in der Hand. Bevor er seinen Dolch ziehen konnte, pustete Marmaran ihn einfach wieder hinunter, sodass er scheppernd und fluchend über den Boden rollte und die Waffe verlor.
    Yanko lachte und schrie: »Halt dich fest, Ben!«
    Dann hoben die Drachen die Kutsche gemeinsam in die Luft. Dumpfes Poltern und eine unverständliche Antwort ertönten aus dem Inneren, wahrscheinlich eine Verwünschung, weil er sich das Knie gestoßen hatte. Yanko lachte erneut und feuerte die Drachen an, die noch immer keinen einheitlichen Rhythmus gefunden hatten und mit der schweren Last hin und her schwankten. Weiteres Poltern und Grummeln drang aus dem Innern.
    »Jetzt rechter Flügel!«, befahl Juri, und Marmaran knurrte, gehorchte aber. Und so fanden sie zusammen und erhoben sich rasch immer weiter in die Luft. Juri blickte nach unten, und als er die verdutzten Gesichter und offenen Münder der Ritter entdeckte, die ihre Pferde gewendet hatten, lachte er noch lauter. Auch Anula jauchzte und weinte vor Glück. Feuerschuppe
schloss mit Nica zu ihnen auf, und dann flogen sie raus aufs Meer. Zu ihrer Insel, wo sie in Sicherheit waren.
    »Dann komm mal raus, du alter Flüsterkopf«, rief Yanko, während Marmaran die Kutschtür mit zwei Klauen packte und aus den Angeln riss. Eben waren sie vor dem Verlies der Stürme gelandet und hatten die Kutsche ganz sanft auf den felsigen Boden gesetzt. Hastig kratzte sich Anula den Schlamm aus dem Gesicht, damit Ben nicht ihren furchterregenden Anblick, sondern den schönen zu sehen bekam, die wie Eis glitzernde Haut. Wahrscheinlich hätte er sie auch gern einmal in ihrer Kriegsbemalung gesehen, dachte Yanko, als die Tür barst.
    Langsam traten drei Gestalten ans Licht, doch keine von ihnen war Ben.
    »Ben!«, schrie Anula und grub sich die Finger tief ins Gesicht. »Ben! Komm raus!«
    Doch die Kutsche war leer.
    »Was habt ihr mit unserem Freund gemacht?«, brüllte Yanko die drei Gestalten an.
    Es waren zwei Männer und eine Frau, alle blass und abgemagert, die Augen tief in den Höhlen, die Haare strähnig und stumpf. Sie wankten und blinzelten im hellen Sonnenlicht. Ihr Alter war kaum zu schätzen, irgendwas zwischen zwanzig und dreißig. Nur ihre Kleidung war sauber und frisch und wollte nicht recht zu ihnen passen. Für die Hinrichtung waren sie zu Hellwahs Ehren festlich herausgeputzt worden. Die Hände wirkten, als seien einige Finger gebrochen, sie zitterten.
    »Wir haben nichts gemacht«, flüsterte die Frau, und sie alle sanken auf die Knie. »Bitte.«

    »Wo ist der Junge, der bei euch war?«, schrie Yanko verzweifelt. »Der mit euch gehenkt werden sollte?«
    Die drei hielten die Blicke gesenkt. »Bitte nicht.«
    »Rede!« Yanko packte einen der Männer am Kragen, den, der am gesündesten aussah. Er war so voller Wut auf den Orden und Mitleid für diese drei armen Gestalten und wusste nicht, was er tun sollte. Er wollte jemanden schlagen, doch es war kein Ritter da.
    »Bitte tut uns nichts.«
    Yanko atmete tief durch. »Das haben wir nicht vor. Wir wollen nur unseren Freund zurück.«
    »Er ist nicht eingestiegen.« Der ausgemergelte Mann schluckte. »Sie haben uns allein losgeschickt.«
    »Warum?«
    Voller Angst blickte ihn der Mann an, dann sagte er: »Der andere Verurteilte ist tot.«
    »Nein!«, schrie Anula.
    Yanko zitterte, brachte aber kein Wort heraus. Nica schlug die Hände vors Gesicht, die Drachen brüllten, und Marmaran

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