Das Verlies der Stuerme
gepriesen, und es wäre gut gewesen. Nun aber hat er sich als denjenigen dargestellt, der mit Hellwahs
Gnade heilen kann. Doch ohne dich kann er das nicht, ohne dich ist er ein Abt, den Hellwahs Gnade verlassen hat. Niemals wird er dich hinrichten lassen.«
So hatte Ben das noch nicht gesehen. Aufgeregt sprang er von der Pritsche und trat an das Gitter. »Meinst du wirklich? «
»Ich weiß es.« Akse lächelte. »Aber jetzt erzähl mir von Drachen.«
Obwohl Ben die nachdrückliche Überzeugung Akses fehlte, spürte er dennoch Erleichterung. Vielleicht war der Galgen für ihn wirklich ferner, als er fürchtete. Konnte das wahr sein?
Die beiden Jungen setzten sich einander gegenüber auf den Boden, die schwere Gittertür zwischen sich, und Ben berichtete so manche Episode, die er erlebt hatte und die etwas über das Wesen von Drachen aussagte. Doch weil er nicht wusste, wie weit er Akse wirklich trauen durfte, erzählte er nichts von seinen Freunden, ihren Plänen, dem Verlies der Stürme und auch nichts von der Herkunft der Drachen, weil Aiphyron ihn einst gebeten hatte, darüber zu schweigen. Sie redeten und redeten, und Ben konnte den Knappen immer besser leiden. Schließlich erzählte er ihm sogar, dass er Drachen die abgeschlagenen Flügel zurückgeben konnte; das hatte Akse sowieso schon fast erraten.
»Mann, wäre es schön, einmal zu fliegen«, sagte Akse, und Ben nickte und schwärmte davon, wie er zum ersten Mal auf Aiphyrons Rücken in die Höhe gestiegen war. Doch der Gedanke daran brachte auch die Erinnerung an die abgeschlagenen Flügel wieder, wie sie in der Bucht hin und her geschwappt waren.
»Hast du eigentlich etwas von einem Drachen gehört, dem
am Tag meiner Gefangennahme hier in der Nähe die Flügel abgeschlagen wurden?«, fragte Ben mit belegter Stimme.
Akse schüttelte den Kopf.
»Bist du sicher?«
Angestrengt dachte der Knappe nach. »Ganz sicher. Keiner unserer Ritter hat kürzlich einen neuen Drachen angeschleppt. Auch ansonsten habe ich nichts gehört, doch das hätte ich. Kein Ritter würde darauf verzichten, ein nahe gelegenes Kloster aufzusuchen und sich für seine Tat feiern zu lassen. So eilig haben es die wenigsten, dass sie sich das entgehen lassen.«
Es wollte Ben einfach nicht in den Kopf. Er hatte die Flügel doch gesehen, und er würde sie niemals verwechseln. Außerdem war Aiphyron nicht da gewesen – irgendjemand hatte ihm die Flügel abgeschlagen und ihn mitgenommen, das war gewiss. Vielleicht ein Ritter aus einem rivalisierenden Kloster? Gab es so etwas?
»Wollen wir versuchen, einen Drachen zu befreien?«, riss ihn Akse aus seinen Gedanken.
»Einen Drachen befreien?« Natürlich wollte Ben das, doch er wusste nicht, ob Akse es ernst meinte. So wie er es sagte, schien es ein Kinderspiel zu sein. Als würde er sich nur erkundigen, was sie am nächsten Tag essen sollten. »Und wie?«
»Wir haben morgen Gruppenreiten. Dabei verletze ich einen Drachen mit dem Messer zwischen den Schulterknubbeln. Nicht schlimm, aber doch so, dass sie dich in der kommenden Nacht zu ihm schicken. Und wenn du die Hand auf seine Wunde legst, kannst du mit der anderen unauffällig die Flügelansätze daneben heilen. Dann beginnen sie wieder zu wachsen, richtig?«
»Ja. Aber was bringt das? Zwei Tage später wissen sie von meiner Gabe und schlagen die neuen Flügelstumpen ab.«
»So viel Zeit lassen wir ihnen nicht. Ich sorge dafür, dass seine Box in der folgenden Nacht offen steht. Die Stallgasse kehren muss ich nach einer solchen Geschichte sowieso. Dabei kann ich ihm auch zuflüstern, er soll in die Wälder fliehen und sich verstecken, bis er wieder fliegen kann. Die Torwächter bekomme ich schon abgelenkt, die sind nicht die schlausten.«
»Ich weiß.« Grinsend dachte Ben daran, wie er ins Kloster gekommen war.
Akse erzählte ihm weitere Geschichten von den acht Torwächtern, die seit Jahren reihum die Eingänge bewachten, auf den Türmen Ausschau hielten oder schliefen. Gemeinsam lachten sie über deren blinden Befehlseifer und hielten sich die Hände vor den Mund, um den Kerkermeister nicht zu wecken oder die anderen Gefangenen aufmerksam zu machen. Wer wusste denn, ob nicht einer petzte, um sich ein warmes Abendessen zu erbetteln?
Nach einer Weile sah Akse ihm fest in die Augen. »Und? Machen wir’s?«
Ben nickte. »Danke.«
»Nichts zu danken, war doch meine Idee. Bis dann.« Leise schlich sich der Knappe davon. Ben sah ihm nach, solange er konnte.
Doch, er hatte ihm
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