Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
Vom Netzwerk:
breite Mole, die ihre Ursache bestimmt in der Sage um Ailon, die Seetrolle und die bedrohlichen Winde hatte.
    Als Ben das Ende erreicht hatte, sah er sich um. Gut konnte er den Hafen überblicken und die ersten der dicht gedrängten Häuser dahinter. Noch weiter hinten ragte der hohe Tempel über die anderen Dächer hinaus. Auch sah er die bewaldete Bucht, wo Aiphyron auf ihn wartete, weit weg zu seiner Rechten, und links, nicht fern von der Stadtmauer, direkt an der Mündung des Dherrndeltas, ein weitläufiges befestigtes Kloster mit hohen Türmen, riesigen Stallungen und dicken Mauern. Gänzlich aus weißem Fels errichtet, erhob es sich weithin sichtbar im flachen Land. Der Mittelturm wuchs so hoch in den Himmel, dass man meinen könnte, er suche Hellwahs Nähe. Dort also wurde den Knappen beigebracht, singend im Gleichschritt zu gehen.
    Ben atmete die frische Seeluft ein und blickte hinaus aufs Meer. Ihre Insel war nirgendwo zu erkennen. Obwohl es erst Frühjahr war, schien die Sonne fast so warm wie im Trollfurter Sommer. Kleine Wolken zogen über den Himmel,
und Ben wandte sich wieder dem Kloster zu. Es wirkte so mächtig, als könnte es jedem Ansturm trotzen.
    »Unserem nicht«, murmelte Ben. Er würde sich nicht einschüchtern lassen, davongerannt waren sie lange genug. »Wir kommen vom Verlies der Stürme und werden über euch hinwegfegen!«
    Langsam ging er zurück. Kurz bevor er den Hafen erreichte, setzte er sich auf die Mole, ließ die Beine über die Kante baumeln und beobachtete pfeifend, wie ein breiter Zweimaster abgeladen wurde. Ein paar Arbeiter warfen ihm seltsame Blicke zu. Vielleicht, weil er ganz hinausgelaufen war, vielleicht auch nur, weil er hier saß und scheinbar nichts zu tun hatte. Wahrscheinlich taten so vornehm gekleidete Jungen solche Dinge üblicherweise nicht, aber Ben war das egal. Er wollte beim Entladen zusehen, das hatte er noch nie gemacht. Die Schiffe in Trollfurt waren viel kleiner gewesen, eigentlich nur Boote, und in den letzten Monaten war er zwar weit herumgekommen, hatte aber größere Siedlungen gemieden. Sollten sie doch alle glotzen wie Quellaugenfische, wegscheuchen würde ihn keiner. Wer wusste bei seiner Kleidung schon, wie reich und einflussreich seine Familie war?
    »Hast du gehört, dass die Seeschwalbe und die Wellenflug abgesoffen sind?«, fragte in diesem Moment ein unrasierter Hafenarbeiter seinen Kollegen. Die beiden hatten eine schwere Kiste ganz in der Nähe von Ben abgesetzt und schnauften durch.
    »Ja. Ist eine Schande«, sagte der Angesprochene und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Verdammtes Verlies der Stürme.«
    »Wenn es denn schuld war«, brummte der Erste.

    »Was denn sonst?«
    »Der alte Lobstan war ein richtiger Saufkopf, seit seine Tochter mit dem Ketzer durchgebrannt ist.«
    »Lobstan war der Steuermann?«
    »Ja.«
    »Eine Schande, dass so einem noch ein Schiff anvertraut wird.«
    »Der arme Herr Dogha.«
    »Seine arme Mannschaft! Nach allem, was ich gehört habe, hat er überlebt.«
    »Das schon. Er ist aber hoch verschuldet, und jetzt sind alle Waren weg.«
    »Ach, was soll’s.« Der Arbeiter winkte ab und stützte sich auf die Kiste. »Die Händler sind doch alle reihum verschuldet. Je größer die Schulden, umso größer das Haus. Ich versteh das nicht, aber es ist so. Der Dogha kommt schon wieder auf die Beine.«
    »Wollen wir’s hoffen.«
    »Warum? Kann uns doch egal sein. So außerordentlich gut zahlt er nicht.«
    »Ich hab gehört, der hat eine hübsche Tochter.«
    »Ja und? Was hat das damit zu tun?«
    »Ach, nur so. Wär halt schade.«
    »Sonst müssen wir sie eben trösten.«
    »Ja.«
    Die beiden Männer lachten.
    »Dann mal weiter.« Sie packten die Kiste und schleppten sie den Kai entlang.
    »Der einäugige Simbha soll auch ’ne hübsche Tochter haben«, keuchte der Unrasierte. »Und Husten. Vielleicht können wir ja erst einmal die trösten?«

    »Halt’s Maul und trag.«
    Ben blickte ihnen nach und war nun endgültig sicher, dass er demnächst mit dem Schuldenmachen beginnen musste. Hier herrschten seltsame Sitten.
    Am späten Nachmittag schlenderte er langsam aus dem Hafen. Er sah nach rechts und links, doch unter all der aufgetürmten Ladung am Kai konnte er kein Pergament entdecken. Sie würden es wohl dort stehlen müssen, wo sie auch das Siegel hernahmen. Entschlossen verließ er die Stadt und stapfte zu Aiphyron, sobald es dunkel war.

NÄCHTLICHE STRASSEN
    S o, so, eine hübsche Tochter hat er also, der

Weitere Kostenlose Bücher