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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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sich an ihn. »Wärme mich.«
    Er umschlang sie fest. »So gut?«
    »Hm«, flüsterte Anula, die Lippen nah an seinem Hals. Es klang zustimmend. »Ist Fintas Tochter wirklich so hübsch?«
    »Ja. Hübsch. Aber lange nicht so schön wie du«, sagte Ben und meinte es auch so. Wieso machte sie sich solche unsinnigen Sorgen?
    Mit einem Seufzen schmiegte sich Anula weiter an ihn und war bald eingeschlafen. Ben lag noch lange wach, starrte auf die hellen Sterne vor dem Fenster und dachte an Mircah. Anula hatte sie ihm wieder ins Gedächtnis gebracht. Warum zwang sie ihn nur, sie beide zu vergleichen? Jetzt überlegte er tatsächlich krampfhaft, was an Mircah schöner war als an ihr.
    »Nichts«, murmelte er und schloss die Augen.
    Die Sonne war schon lange untergegangen, als sich Aiphyron, Feuerschuppe und Juri im Tiefflug Rhaconias Hafen näherten. Sie flogen so knapp über dem Meer, dass die Klauen beinahe durch die Wellen pflügten und sie fast mit dem dunklen Ozean verschmolzen. Anders als gegen den klaren Sternenhimmel würden sie auf diese Weise nicht gesehen werden, und falls doch, dann wohl nur als dunkler Schemen, den jeder für ein Schiff halten musste. Lautlos glitten sie das letzte Stück dahin, dann landeten sie am äußersten Ende der Mole, und Ben, Yanko und Nica stiegen von den Rücken der Drachen.

    »Wir sind in ein paar Stunden zurück«, flüsterte Ben.
    »Und wenn nicht?«, fragte Aiphyron.
    »Dann sind wir morgen Abend wieder in der Bucht. In derselben wie gestern.«
    »Alles klar. Aber erst mal bleiben wir in der Nähe.«
    Ben führte Nica und Yanko über die Mole in den Hafen, sanfte Wellen plätscherten gegen den Stein. Mit jedem Schritt nahmen sie den Gestank der Stadt deutlicher wahr, ebenso vereinzelte Flüche und eine wüste Streiterei, vielstimmiges Lachen und das Grölen der Trunkenen. Mit einem flauen Gefühl im Bauch dachte Ben an die Messerstecherei des Vortags, doch gleichzeitig war er dankbar für das wilde Treiben der Seeleute und Hafenarbeiter, denn so würde niemand auf sie achten.
    »Schscht«, zischte er, und sie huschten lautlos und gebückt die letzten Schritte auf der Mole entlang.
    Unbemerkt erreichten sie den Kai und richteten sich auf, bevor das Licht der wenigen Straßenlampen oder aus einer der häufigen Tavernen sie erfassen konnte. Betont unauffällig schlenderten sie weiter in die Stadt hinein.
    »Geschafft.« Nica atmete tief durch.
    »Raffinierter Bürzelkater«, sagte Yanko und knuffte Ben bewundernd gegen die Schulter.
    Aufrecht führte Ben sie weiter in die Stadt. Doch nun blieben sie nicht mehr unbemerkt – auf den belebten Straßen wurden Nica immer wieder anzügliche Bemerkungen und grobes Gelächter hinterhergeschleudert, und Yanko konnte jedes Mal nur mit Mühe eine bissige Antwort unterdrücken.
    »Ein Mädel für zwei? Fleißig, sage ich, fleißig«, dröhnte da eine tiefe Stimme.
    »Aber wie wäre es mit einem ganzen Mann statt den zwei
halben Portionen?«, setzte eine hohe, krächzende Männerstimme noch drauf, um sich anschließend vor Lachen zu überschlagen. Irgendwer klopfte sich sogar auf die Schenkel.
    »Jetzt reicht’s. Endgültig!« Yanko blieb stehen und wirbelte herum.
    »Weiter«, zischte Ben und packte ihn an der Schulter. Aus dem Augenwinkel erkannte er zwei massige Schemen, die ihnen schwankend folgten.
    »Warum? Hast du Schiss?«
    »Nein. Aber die haben Messer.«
    »Woher willst du …«
    »Die haben hier alle Messer. Alle!« Ben zerrte Yanko mit.
    »Ich auch«, protestierte Yanko halbherzig, ließ sich aber mitschleifen.
    »Aber du nimmst damit kleine Fische aus, sie schneiden Bäuche auf.«
    »Was?« Nica sah ihn entsetzt an.
    »Nur im Hafen, das tun sie nur im Hafen«, versuchte Ben zu beruhigen. »Weiter oben in der Stadt ist alles viel friedlicher. «
    »Und weshalb landen wir dann im Hafen? Bist du lebensmüde, oder was?«
    »Nein. So müssen wir durch kein Tor.«
    »He! Schönes Mädchen!«, brüllte da wieder die tiefe Stimme. »Wir haben’s uns überlegt. Wir sind auch zu zweit. Wie wär’s?«
    »Verpisst euch!«, schrie Nica über ihre Schulter, dann rannte sie davon. Ben und Yanko folgten ihr sofort. Schwere Schritte schlugen hinter ihnen auf das Pflaster, immer wieder übertönt von einem Keuchen oder Lachen. Aber schon
bald fielen sie zurück, sie hatten wohl zu viel Wein getrunken.
    »Das war knapp«, schnaufte Ben, als sie zwei Querstraßen weiter stehen blieben, um Atem zu schöpfen.
    »Knapp für diese Pickeltrolle«,

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