Das Verlies der Stuerme
gute Finta Dogha«, bemerkte Anula spitz, als Ben seinen Bericht beendet hatte. »Das nächste Mal geht Yanko.«
»Kommt überhaupt nicht infrage«, protestierte Nica.
»Und wie soll er das machen?«, fragte Ben. »Sich mal eben als mich verkleiden? Dazu ist der Stumpen doch viel zu klein.«
»Und einfach nicht hager und höhlenköpfig genug«, knurrte Yanko.
»Ist doch egal. Morgen Nacht gehen wir sowieso alle zusammen«, beschloss Ben, und keiner widersprach. »Alle außer Anula.«
»Aber …«
»Kein aber. Deine Haut ist zu leicht zu erkennen. Unsere Beschreibungen und die Kritzeleien passen auf jeden Fünften in unserem Alter, aber du …«
Anula protestierte nicht weiter, zumal Marmaran anbot, bei ihr zu bleiben, damit es nicht zu langweilig wurde. »Wir werden im Mondlicht schwimmen und ausgiebig schlemmen. Sollen die anderen doch durch die Nacht hetzen, wir lassen es uns so richtig gut gehen.«
Ben lächelte dankbar, weil Anula so nicht mit ihren Albträumen und der inneren Kälte allein blieb. Yanko hatte den ganzen vergangenen Tag nach einem verborgenen Verlies voller Schätze gesucht, jedoch nichts gefunden. Nun versuchte er Ben in seine Überlegungen einzubeziehen.
»In der ganzen Sage war nie die Rede von vergessenen Schätzen«, sagte Ben.
»Mann, du weißt doch, Sagen und Legenden erzählen nicht unbedingt die volle Wahrheit. Die Steuereintreiber müssen etwas übersehen haben.«
»Und was, wenn hier nie Schätze waren, sondern nur Stürme? «
Yanko lächelte milde und deutete in alle Richtungen. »Schau dir doch die Festung an. Kein Verlies? Das ist unmöglich. In solchen Festungen gibt es immer verborgene Schätze.«
Ben schüttelte den Kopf. Yanko war von dem Gedanken an einen Schatz besessen. Nur weil er die Wette gewonnen hatte und zuerst aussuchen durfte. »Wir brauchen Pergament, das ist jetzt wichtiger als Schätze. Was meinst du, wo können wir das am besten stehlen?«
»Mit den Schätzen können wir uns Pergament ohne Ende kaufen«, erwiderte Yanko.
Sie sprachen bis tief in die Nacht, doch weder hier noch da kamen sie weiter. Dann führte Anula Ben über den Innenhof an die Südmauer zu dem hohen Turm mit den acht Erkern.
»Das ist unser Turm«, sagte sie.
»Unser Turm?«
»Ja.« Lächelnd öffnete sie den linken Flügel der massiven Eichentür. »Während du unterwegs warst, haben wir uns eingerichtet. Der Thronsaal und die große Küche gehört allen, ansonsten hatte jeder freie Auswahl.«
Die Fackel in der Hand, folgte ihr Ben die breite Treppe hinauf in den dritten Stock. Ihre Schatten flackerten auf den kahlen, alten Wänden, und mit einem Mal erschienen
sie ihm viel schöner als die mit wertvollen Teppichen behangenen in Fintas Palast. Das war ihr Turm, Anulas und seiner. Solange Finta und Nesto hier gewesen waren, hatten sie die Festung nicht richtig in Besitz genommen, waren einfach herumgetollt, wie an vielen Orten in den letzten Monaten. Erst in diesem Moment wurde ihm wirklich bewusst, dass die Insel und das Verlies der Stürme ihr neues Zuhause sein würde. Er wusste nicht für wie lange, doch auf jeden Fall für jetzt.
»Unser Turm«, wiederholte er leise und ließ die Fingerspitzen über den groben Stein gleiten, während er die letzten Stufen erklomm.
Der größte Raum im dritten Stock verfügte über einen tiefen Erker mit zwei Fenstern nach Osten.
»Dort sehen wir die Sonne aufgehen«, erklärte Anula.
Ben nickte und stieg mit der Fackel zu einer Wandbemalung hinüber, die ihn viel mehr begeisterte, als früh geweckt zu werden. An vielen Stellen war die Farbe bereits abgeblättert, doch er konnte blaue und weiße Wellen erkennen, die einen riesigen schwarzen Kraken mit roten Augen umtosten. Drei noch erhaltene Arme und drei halb verblasste schlängelten sich über drei Wände, ein verwischter, aufrechter Seetroll stellte sich der Kreatur mit einem Dreizack entgegen.
»Du mochtest doch den Kraken im Thronsaal?«, sagte Anula.
Ben nickte und drehte sich zu ihr um. »Danke. Es ist wunderschön. «
In der Raummitte stand ein großes Bett aus Stein, das Anula mit Lendenschurzen und anderen Stoffen gepolstert und darüber zwei Decken wie Laken gebreitet hatte. Zwei weitere lagen als Zudecke bereit. Hier würde sich Ben heimisch
fühlen. Es erinnerte ihn an sein Haus in Trollfurt, nur dass der Turm deutlich größer war und Ben nicht allein. Glücklich schloss er Anula in die Arme, dann löschten sie die Fackel und kletterten auf das Bett.
Anula kuschelte
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