Das Verlies der Stuerme
Geld und den Mumm, so etwas …?
Plötzlich begann Ben zu grinsen. Mumm hatten sie, und Geld benötigten sie eigentlich nicht, nur ausreichend Pergament, Tinte und Feder und ein Siegel. Sie sollten einfach Steckbriefe aushängen, die zehntausend Gulden auf den Abt des hiesigen Klosters aussetzten. Wenn der Kopfgeldjäger dann bei der Ablieferung am königlichen Hof doch nicht ausbezahlt wurde, war das sicher nicht ihr Problem. Ben lachte leise vor sich hin.
Und sie konnten hier auch eine Bekanntmachung aufhängen, die die Wahrheit über Drachen verkündete und das öffentliche Sprechen über Samoths Fluch zur schlimmsten Ketzerei erklärte.
Ja! Das musste er den anderen sagen. Diese Wand voller Bekanntmachungen war eine wundervolle Idee.
Pfeifend warf er einen kurzen Blick in den Tempel, dessen Wände von Malereien übersät waren. Ein strahlender Hellwah tat dies und das, und die ebenso strahlenden Ritter
entflügelten diesen und jenen Drachen. Und stets retteten sie dabei noch eine schöne Jungfrau.
Oberhalb der Wandmalereien reihte sich Fenster an Fenster, um Hellwahs Licht einzulassen. Für den Blick hinaus waren sie viel zu hoch. Wer sich im Tempel aufhielt, sollte nicht die Welt draußen sehen, sondern nur die auf Leinwand gebannten Taten eines Gottes und seines Ordens.
Wo zur stinkenden Fischmade nehmen wir nur so viel Pergament her?, fragte sich Ben, als er den Tempel wieder verließ. Finta wollte er nicht fragen. Je weniger Leute Bescheid wussten, umso besser.
Den halben Tag lief Ben kreuz und quer durch die Stadt. Dabei fand er in seiner Hosentasche irgendwann einen Beutel, der prall mit Münzen gefüllt war.
»Verschuldet, so, so«, murmelte Ben und festigte den Entschluss, später auch mal verschuldet zu sein, wenn das solche Geldbeträge mit sich brachte. Er würde sich in der halben Welt verschulden und davon die andere Hälfte kaufen.
Zum Mittag kaufte er sich erst einmal einen scharfen Lammspieß mit Feuersoße und schlang ihn hungrig herunter. Dann ließ er sich noch vier für den Abend auf der Insel einpacken. Diese stopfte er in seine Provianttasche, die langsam ärgerlich schwer wurde. Dennoch stapfte er neugierig weiter.
Als er eine Stunde später auf einem der zahlreichen kleinen Plätze mit Ritterdenkmal eine kurze Pause einlegte, sich gegen eine Hauswand lehnte und den Blick über die Passanten schweifen ließ, bemerkte er ein halbes Dutzend Knappen, die im Gleichschritt in Zweierreihen durch eine Gasse marschierten und fröhlich sangen:
Kam einst ein Drach geflogen,
von Samoths Fluch verwirrt,
Wollt sich die Jungfrau holen,
die …
»… lieber mir gehört!«, krakeelte einer der Knappen aus der letzten Reihe laut, lachte und kam so aus dem Gleichschritt.
»Akse! Mann, wir müssen das morgen können!«, brauste der große braunhaarige Knappe vorne rechts auf. Der ganze Trupp kam zum Stehen. »Wenn wir da aus dem Rhythmus kommen, dann dürfen wir die Ställe putzen oder den Innenhof schrubben. Dir scheint das ja Spaß zu machen, so oft wie du das tust, aber …«
»Und wenn der Abt deine Zeilen hört, dann schmeckst du den Stock. Den Stock. Das macht dir wohl auch Spaß, oder? Spaß, oder?«, ergänzte ein Knappe aus der zweiten Reihe mit rotem Gesicht.
»Wie soll der Abt uns hier hören?«, brummte der, der Akse genannt worden war. »Morgen sing ich schon richtig. Und ihr könnt mir nicht erzählen, dass euch die Jungfrauen egal sind.«
»Habt ihr die neue von Herrn Farmir gesehen?«, mischte sich ein weiterer Knappe mit leuchtenden Augen ein. »Mann, hat die große …«
»Schnauze!«, brüllte der braunhaarige Bursche, der der Anführer zu sein schien. »Fang du nicht auch damit an. Wir sind mit Akse schon gestraft genug! Morgen müssen wir im Gleichschritt marschieren, und zwar blind und sehr viel gleicher als die anderen Einheiten! Das ist kein Spaß, das gehört zur Ausbildung! Wie willst du je zur Elite gehören, Akse?«
»Ich denke, wir sind schon die Elite?«
»Aber es geht darum, die Elite der Elite zu sein! Also weiter! Wieder von vorn!«
Akse zuckte mit den Schultern und reihte sich ein. Dabei fiel sein Blick auf Ben. Ben grinste ihn an und zwinkerte ihm zu, der Junge zwinkerte zurück.
Kam einst ein Drach geflogen,
von Samoths Fluch verwirrt,
Wollt sich die Jungfrau holen,
die …
»… lieber mir gehört«, sang Ben lautlos und schüttelte den Kopf.
Im Lauf des Nachmittags sah er noch weitere Knappen, die in solchen Sechsereinheiten durch die Stadt
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