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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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einen unsinniger und seltsamer als den nächsten, bis schließlich ein dicker Stapel Pergament auf dem Tisch lag. Auf dem obersten stand:
    VERRÄTER GESUCHT
    Schlafend
500 Gulden Belohnung
    Horgh Höhlenhall – groß, kräftig, dreiundzwanzig
Jahre alt, dunkelblondes Haar und pickelnarbiges
Gesicht, hölzerner Kopf, angerostetes rechtes
Rüstungsbein.
    Er ist des Verrats am Großtirdischen Reich und der
Ausübung ritueller Grundsteinbepinkelungen in
sieben Klöstern und dreizehn Tempeln überführt. Hält
sich für lustig, ist meist jedoch nur betrunken.
Vorsicht: Rüstungsnässer!
Wurde zuletzt gesehen auf der vergeblichen Suche
nach Verstand. Rechnet deshalb fest mit Beförderung.
    »Ja, das ist gut.« Yanko grinste Nica an, die ihn geschrieben hatte. »Rüstungsnässer.«
    »Dein gebückter Abthinternerkunder war aber auch nicht schlecht.«
    »Da hat mich Bens tauber Krötenseufzersammler drauf gebracht.«
    »Ähm, ja? Klingt nicht sehr ähnlich.«
    »Ja. Ich weiß auch nicht mehr, wie der Zusammenhang war.«
    Lachend klopften sie sich reihum auf die Schulter. Dann steckten sie das Siegelwachs und die beiden Stempel ein, Yanko und Nica eilten hinüber, um so viel Pergament einzustecken, wie sie tragen konnten, und zwei Handvoll kleiner Nägel mit großen Köpfen. Ben zögerte kurz, betrachtete den dicken Stapel Steckbriefe und dachte plötzlich daran, dass sie eigentlich zurückgekehrt waren, um die Wahrheit zu verkünden. Das da waren jedoch alles Lügen.
    »Aber Lügen, die der Wahrheit dienen«, sagte Yanko, als Ben seine Bedenken ausgesprochen hatte.
    »Geht so was?«
    »Was weiß ich? Zumindest machen sie Spaß.«
    Dem konnte keiner widersprechen.
    »Na ja, wir sind ja auch zurückgekehrt, um den Orden zu bekämpfen«, sagte Nica. »Sie sind viel zu viele und viel zu stark, um ihnen offen entgegenzutreten, aber ihre Glaubwürdigkeit können wir infrage stellen. Indem wir sie lächerlich machen, nehmen wir auch ihren Mythen die bedeutsame Schwere. Wenn wir so die Leute dazu bringen, ihre Lügen und Legenden zu hinterfragen, dann dient das auch der Wahrheit. Zumindest irgendwie.«
    Ben und Yanko starrten sie beeindruckt an. Auch wenn
sie nur die Hälfte verstanden hatten, es klang überzeugend. Dennoch beharrte Yanko darauf, dass die gefälschten Steckbriefe auch einfach nur Spaß machen durften, während Ben wollte, dass sie auch etwas für die direkte Wahrheit tun sollten, und dass auch die Wahrheit Spaß machen konnte. Also schrieben sie noch ein halbes Dutzend Bekanntmachungen.
    BEKANNTMACHUNG NEUE WAHRHEIT ÜBER DRACHEN
    Hiermit wird offiziell verkündet, dass
Drachen mit Flügeln freie und freundliche Geschöpfe
sind. Hellwah höchstselbst hat diese neue
Wahrheit unserem König in einem hellsichtigen
Traum verkündet.
Wer fortan behauptet, Drachenflügel seien von
Samoth verflucht, wird mit öffentlichem Zungenspalten
bestraft. Wer fortan einem Drachen die Flügel abschlägt, soll
seine Arme und die Zunge verlieren.
Alle flügellosen Drachen sind unverzüglich in den
nächstgelegenen Hellwahtempel zu bringen, wo
ihnen eine förmliche Entschuldigung zuteilwird, bevor
sie ihrer Wege gehen dürfen.
    Gezeichnet:
Priester Nachtschau,
des Königs Traumdeuter
    Mit einem zufriedenen Grinsen teilten sie die beschriebenen Pergamente unter sich auf, löschten die Kerzen und ließen sich mit dem Schlüssel auf die verlassene Warenstraße hinaus. Ben stopfte sich im Hinausgehen noch rasch die Tasche mit leeren Seiten voll. Die kleine Wasseruhr hinter dem Tresen des Schreibraums zeigte an, dass es bereits nach Mitternacht war.
    Zu der späten Stunde wirkte die Stadt ausgestorben, weder Schritte noch Stimmen waren zu hören, auch niemand zu sehen, obwohl das bei der Dunkelheit sowieso schwierig war. Nur eine kleine schwarze Nachtmöwe glitt über sie hinweg, und eine fette Ratte huschte den Rinnstein vor ihren Füßen entlang. Weit entfernt kläffte ein Hund.
    Sie schlichen die Straße hinab und hielten an jedem zweiten Gebäude. Vorsichtig hämmerten sie mit den metallenen Knäufen ihrer Dolche je ein Pergament in die hölzernen Türen. Dabei hielten sie ein Stück ihrer Hemden auf den Nagel, damit der Stoff die Schläge dämpfte.
    Immer weiter eilten sie durch das nächtliche Rhaconia, nagelten die Steckbriefe und Bekanntmachungen an dicke Bäume, auf die Tür einer unachtsam abgestellten Kutsche und über zahlreiche Aushänge des Ordens. Als ihnen in einer schmalen Gasse doch ein menschlicher Schatten

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