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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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entgegenkam, war dieser herumgewirbelt und geflohen, bevor sie reagieren konnten. Sie waren also nicht die Einzigen, die etwas zu verbergen hatten, obwohl das wohl eher ein einfacher Dieb oder Beutelschneider gewesen war.
    Den wenigen einsamen Nachtwächtern, die auf den Straßen patrouillierten, konnten sie leicht ausweichen, denn ihre hellen Lampen kündeten schon von Weitem ihr Kommen.
    Als sie die meisten Steckbriefe verteilt hatten, wollte Yanko
seine letzten an der Tür des Gasthofs Zum Drachen aufhängen.
    »Du willst wohl unbedingt erwischt werden?«, zischte Nica, und Ben dachte, dass Yanko wohl in erster Linie sie beeindrucken wollte.
    »Ach was, erwischen. Die Ritter schlafen längst.« Yanko schüttelte den Kopf. »Aber wenn wir es an ihren Treffpunkt hängen, ist das ein Zeichen. Du hast doch gesagt, wir wollen sie lächerlich machen. So zeigen wir, dass wir wissen, wo sie sich aufhalten. Und dass wir keine Angst vor ihnen haben.«
    Es stellte sich heraus, dass sie auch keine Angst haben mussten. Der Gasthof war verlassen, jedes Licht erloschen, die Fensterläden zugezogen. Schnell hatten sie an Tür und zwei Fenster Steckbriefe gehängt, dazu drei an die Bäume auf dem Platz davor. Yanko kletterte auf das Denkmal des Ritters und spießte einen Steckbrief auf die Spitze seines Schwerts, sodass es wie eine Fahne aussah.
    »Und jetzt zum Tempel.« Ben huschte davon.
    »Jawohl!« Yanko eilte hinterher.
    »Jungs! Ihr seid vollkommen bescheuert! Nur weil wir einmal Glück hatten, heißt das nicht, dass …« Nica brach ab, fluchte und folgte ihnen.
    Unterwegs bedauerte Yanko, dass sie nicht irgendwelche verdorbenen Lebensmittel mit sich führten, die sie in die Küche des Drachens hätten schmuggeln können. Etwas, das den Rittern schlimmen, anhaltenden Durchfall verschafft hätte. »In einer Rüstung muss das ganz besonders widerlich sein. Die zieht man nicht mal so eben aus.«
    Ben lachte, und Nica verzog das Gesicht und verkündete, dass sie eklig seien.
    Dann erreichten sie den großen Platz der Sonne, der ebenso
verlassen schien wie die Straßen. Doch an jeder Ecke des zentralen Tempels brannte eine übermannshohe Fackel. Auch wenn der Eingang im Schatten der großen Säulen lag, die hölzerne Wand für Anschläge davor war im Sternenlicht gut zu erkennen. Nirgendwo warf ein Gebäude einen schützenden Schatten. Ben hatte noch nie das Gefühl gehabt, dass die Sterne so helles Licht spendeten. Der Mond war weit davon entfernt, voll zu sein, und doch war die Nacht nicht vollkommen finster.
    »Und wenn uns jemand sieht?«, fragte Nica.
    »Halten wir die Gesichter unten, um nicht erkannt zu werden.«
    »Aber wenn sie uns jagen?«
    »Warum? Weil wir etwas aufhängen?«, fragte Ben. »Ist ja nicht so, dass wir irgendwo einbrechen oder jemanden zusammenschlagen. «
    »Ich will trotzdem nicht erkannt werden«, sagte Nica. »Wir werden gesucht.«
    »Ich weiß. Und ich will auch nicht erwischt werden, aber da vorn werden die offiziellen Bekanntmachungen angeschlagen. Wenn wir jemanden überzeugen können, dann hier.«
    »Ach, verdammt«, brummte Nica, schlug den Kragen hoch und zog den Kopf tief zwischen die Schultern. »Warum haben wir keine Tücher oder Kapuzen dabei?«
    »Weil wir damit auffallen«, sagte Ben, der nicht zugeben wollte, daran einfach nicht gedacht zu haben.
    Mit gesenkten Köpfen, doch sonst aufrecht wie harmlose Spaziergänger schlenderten sie über den Platz; sie mussten ein albernes Bild abgeben. An der Holzwand angekommen, riss Ben sofort alle hängenden Steckbriefe ab, zuerst
den für Anula, dann den mit ihren Namen. Er nahm alle, damit der Orden nicht sofort daraus schließen konnte, wer sie waren. Rasch steckte er sie ein, während Yanko bereits damit begann, ihre aufzuhängen und Nica aufmerksam in alle Richtungen blickte, damit sie nicht überrascht wurden. Ben half Yanko.
    »Nachtwächter«, zischte Nica plötzlich. »Zwei.«
    Sofort tauchten sie hinter die ersten Säulen des Tempels, pressten sich in ihren Schatten. Leise atmend schmiegten sie sich an den kühlen Marmor, nur Ben schob den Kopf ganz langsam um die Säule und beobachtete, wie sich die beiden Wächter auf dem Platz trafen und im Schein ihrer Laternen ein Gespräch begannen. Sie wirkten entspannt, aber das konnte auch gespielt sein.
    »Kommen sie her?«, flüsterte Yanko nervös, der hinter der Säule nichts sehen konnte.
    »Noch nicht. Pst.« Ben wagte kaum hinüberzublicken. Hatte der eine Wächter eben Richtung Tempel

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