Das Verlies der Stuerme
schöner bist! Und die Einzige! «
»Dann verhalte dich auch so! Und renn nicht immer zu ihr!« Anula zitterte, ihre Stimme überschlug sich.
»Aber …«
»Ach halt die Klappe!«, schrie sie und rannte davon. Wieder einmal, wie schon auf der Insel. Wieso tat sie das?, fragte sich Ben. Das Weglaufen passte nicht zu ihr. Und eigentlich müsste sie doch froh sein, dass er hier die Taten vollbrachte und nicht Nicas Yanko. Er verstand die Mädchen einfach nicht so gut wie Yanko.
»Was …?« Hilfesuchend sah Ben seinen Freund an. Der zuckte jedoch nur mit den Schultern und sagte: »Eifersucht ist ein gutes Zeichen. Hat mein Vater gesagt.«
»Dass sie vor mir davonläuft, soll ein gutes Zeichen sein?« Ben wandte sich an Nica. Wenn das Yankos Meinung war, konnte er gut darauf verzichten. »Ich denke, ihr Mädchen steht auf Heldentaten?«
»Was? Wieso Heldentaten? Was hat das damit zu tun?« Verwirrt sah sie ihn an.
»Hat Yanko gesagt. Es …«
»Geh ihr einfach nach«, unterbrach ihn Nica. »Was die Heldentaten anbelangt, das lasse ich mir von Yanko erklären. « Dabei klang ihre Stimme, als würde Yanko nicht viel zu Wort kommen und sie ihm etwas ganz anderes erklären wollen. Und zwar gründlich.
Ben holte Anula in der Trollküche im Hauptgebäude ein. Der Staub war hier notdürftig rausgefegt, das unbeschädigte Geschirr geputzt und sauber aufgereiht. Anula hatte sich einen schweren Muschelbecher gekrallt und schleuderte ihn gegen die Wand. Splitter stoben in alle Richtungen, ein längliches, spitzes Bruchstück landete vor Bens Füßen, als er eintrat. Keuchend starrte sie ihn an.
»Verstehst du denn nicht, dass ich Angst habe?«, schrie sie, bevor Ben etwas sagen konnte.
»Wegen Mircah?« Ben versuchte möglichst ungläubig zu klingen, um ihr zu zeigen, wie unsinnig ihre Eifersucht war.
»Wer ist Mircah?«, giftete sie.
»Ähm, Fintas Tochter.«
»Nein! Doch nicht ihretwegen. Oder sollte ich?«
»Äh, nein. Natürlich nicht …«
»Warum fängst du dann damit an?«
»Du hast angefangen, verdammt!« Wütend kickte Ben das Muschelbruchstück vor seinen Füßen weg. »Du hast gesagt, dass du Angst hast!«
»Aber doch nicht vor diesem verwöhnten Hinterhofprinzesschen! Ich hab Angst, dass der Orden dich erwischt! Dass dich irgendwer in Rhaconia erkennt und du eingekerkert wirst!« Atemlos sah sie ihn an, dann sprach sie ruhiger weiter, doch ihre Stimme zitterte. »Dass sie auch hier einen weißen Drachen haben, mit dem sie dich befragen. Oder sie holen ihn herbei, das Kloster mit den zwölf Zinnoberzinnen ist nicht weit.«
»Mir wird nichts passieren«, sagte Ben mit aller Überzeugung, die er aufbringen konnte. Ganz wohl war ihm selbst nicht, wenn er an ihre nächtliche Flucht dachte. Doch niemand hatte gesagt, dass ihr Kampf für die Drachen risikolos sein würde. Langsam trat er die letzten drei Schritte zu ihr hin, nahm sie in den Arm und hielt sie fest. Wann würde sie endlich ihre tiefe Angst verlieren, die Kälte des weißen Drachens, die sich in ihren Knochen eingenistet hatte? Die sie in ihren Klauen hielt und zittern ließ, wenn sie lediglich an den Orden dachte? Er konnte nur ahnen, was sie durchgemacht hatte, als sie der kalte Atem eingehüllt hatte, er hatte ihn nur in stark abgeschwächter Form gespürt und gesehen, was er Drachen antun konnte. Als er Juri und Feuerschuppe nach dem Angriff der weißen Drachen geheilt hatte, war die furchtbare Kälte auch in ihn gekrochen. Aber über Umwege, nicht so unerbittlich direkt wie in sie. Warum nur konnte er keine Menschen heilen? Warum nur konnte er die Kälte nicht auch aus Anula saugen?
Mehrmals hatte er es versucht, heimlich in der Nacht,
während sie in seinen Armen schlief. Weil er nicht akzeptieren wollte, dass seine Gabe beschränkt war. Doch er hatte nichts erreicht, außer dass er sie zweimal geweckt hatte, weil er in verzweifelter Konzentration zu fest zugepackt hatte.
Die Vorstellung, einmal auf dieselbe Weise wie sie gefoltert zu werden, oder überhaupt gefoltert zu werden, machte ihm schreckliche Angst, aber er zeigte sie nicht. Mädchen verliebten sich nicht in bibbernde Furchtmolche, und er wollte sie niemals verlieren.
»Das kannst du nicht wissen«, sagte Anula, doch sie stieß ihn nicht von sich. Sie brauchte seine Nähe und Wärme. »Können wir nicht erst einmal in irgendeinem Fischerdorf die Wahrheit verkünden? Ein Dorf ohne Ritter, in das ich euch begleiten kann. Auch die Drachen, die den Menschen zeigen können, wie
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