Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
Vom Netzwerk:
bestimmt eine weitere halbe Stunde so, dann kratzte es an der Tür. War Nesto zurückgekommen und hatte jetzt doch den Weg durchs Haus genommen?
    »Ja?«, fragte Ben, kroch aus dem Bett und warf sich ein Hemd über. Den Dolch nahm er nicht zur Hand, welche Gefahr sollte ihm auch aus dem Haus drohen?
    Wieder kratzte es. Konnte in diesem Haus niemand seinen Namen nennen? Kopfschüttelnd zog Ben die Tür auf, davor stand Mircah. Sie trug einen langen blauen Wollmantel mit großen goldenen Haken über dem Nachthemd, rote Pantoffeln und ein breites Lächeln im Gesicht.
    »Darf ich reinkommen?«, fragte sie.
    »Nein«, sagte Ben schnell, der augenblicklich an Fintas Worte zu Vätern und ihren Töchtern dachte.
    »Gut«, sagte sie und drückte sich einfach an ihm vorbei. Ihr Haar streifte über seine Wange, sie duftete nach den Blumen mit großen roten Blüten, deren Namen Ben immer vergaß. Lächelnd setzte sie sich auf seine Bettkante. »Willst du die Tür nicht schließen?«
    Nein, wollte er nicht, er wollte, dass sie ging, auf der Stelle, aber dann hatte er plötzlich Angst, draußen könnte jemand vorbeigehen und sie sehen, und das wollte er noch sehr viel weniger, also schlug er hastig die Tür zu. »Was willst du hier?«
    »Reden.« Noch immer lächelnd sah sie ihn an. Fintas unschuldiges, behütetes Goldstück. »Was sollte ich denn sonst wollen?«
    »Ja, nein, nichts, aber …«, stammelte Ben, den Anulas Misstrauen und Fintas Andeutungen völlig durcheinandergebracht hatten. Auf keinen Fall wollte er allein mit ihr entdeckt werden. »Was, wenn dein Vater dich hier sieht?«

    »Ach was, der schläft. Außerdem reißt er mir schon nicht den Kopf ab.«
    »Dir nicht, aber mir«, brummte Ben.
    »Ach was«, sagte sie erneut. »Du hast sein Leben gerettet.«
    »Nichts ach was. Das hat er mir ziemlich deutlich zu verstehen gegeben.«
    »Und? Hast du deswegen Angst vor ihm? Ich denke, du bist ein wahrer Held?« Keck sah sie ihn an.
    »Angst?« Ben schnaubte. Wollte sie ihn beleidigen? Er war höchstens ein wenig beunruhigt, und selbst das würde er nicht zugeben. Lässig verschränkte er die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den schweren Schrank, weit weg vom Bett. »Das hat doch nichts mit fehlendem Mut zu tun. Er hat mich aufgenommen, ich will ihn nicht vor den Kopf stoßen.«
    Sie seufzte. »Ich werde es ihm schon nicht verraten. Ich bin es nur leid, mit keinem Jungen ohne Aufsicht reden zu dürfen. Was ist denn so schlimm am Reden?«
    »Du wirst beim Reden beaufsichtigt?« Irritiert sah er sie an.
    »Na ja, nur beim Reden mit jungen Männern. Ohne Aufsicht schickt es sich eben nicht.«
    »Und bei alten Männern?«
    »Das kommt darauf an.«
    »Aha.« Ben fragte nicht weiter, er war nicht sicher, ob sie wirklich über das Reden sprachen.
    Schweigend blickten sie sich an.
    »Und wie ist deine Heimat so?«, fragte Mircah. Eine solche Frage hätte sie wohl auch tagsüber und unter Aufsicht stellen können.
    »Schön«, antwortete Ben und versuchte sich an den Namen der Pyramidenstadt zu erinnern.

    »Hm. Schön also?«
    »Ja. Schön.« Ben lächelte unbeholfen und lauschte, ob draußen Schritte zu hören waren. Zu Glück blieb alles ruhig.
    »Du bist nicht sehr gesprächig, oder?«, fragte Mircah.
    »Äh, nein.«
    »Dabei erzählen sich die Mädchen hier, dass bei euch alle Jungen furchtbar zudringlich seien und ununterbrochen prahlen.« Sie errötete, sah ihn aber direkt an. »Du bist anders, oder? Sonst hättest du viel mehr Aufhebens um die Rettung meines Vaters gemacht.«
    Ben konnte ihren Blick nicht deuten; er schien ihm halb bewundernd, halb unsicher. Sein Mund wurde trocken, er schluckte. »Äh, ja«, antwortete er leise. Nun, da ein hübsches Mädchen ihn wegen einer Heldentat bewunderte, war es ihm unangenehm, und er fragte sich, ob sie wirklich nur reden wollte. »Deshalb wurde ich ausgewählt, um bei euch irgendwann die Geschäfte zu führen. Ich passe besser ins Großtirdische Reich als meine Brüder.«
    »Du würdest unsere Zweisamkeit also nicht einfach so ausnützen und mich küssen?«
    »Nein, natürlich nicht.« Mit allem Nachdruck schüttelte er den Kopf. »Das würde ich niemals.«
    »Hm.«
    Ben wusste nicht, ob dieser Laut Zufriedenheit oder Enttäuschung ausdrücken sollte. Und noch immer wusste er nicht, was er tun sollte. Klar, reden, aber über was? Sie wollte doch bestimmt nicht den ganzen Abend über Küsse sprechen.
    »Aber ich könnte dich einfach küssen«, sagte sie unvermittelt und

Weitere Kostenlose Bücher