Das Verlies der Stuerme
Stall, dessen Tor weit offen stand. Fintas Drachen hätte er gern befreit, wahrscheinlich hätten sie ihn nicht einmal entführen müssen, wenn sie Finta von Bens Gabe erzählt hätten.
»Komm, ich zeig dir das Lagerhaus im Hafen«, sagte Finta
in die trüben Gedanken hinein und führte Ben quer durch die Stadt.
Es war tatsächlich ein kleineres Gebäude im Gewirr der unterschiedlichen Lagerhallen und Speicher, die sich westlich des Hafens erstreckten. Doch es enthielt die versprochenen Pergamente, den roten und weiteren Wein und allerlei andere Waren. Mehrere Federn, schwarze und rote Tinte und Siegelwachs fand sich in der Schublade eines kleinen wackligen Schreibtischs neben dem Eingang.
»Nur mein Warensiegel bitte ich euch nicht zu verwenden, ja?« Finta grinste unbeholfen.
Als sie das Lager wieder verließen, schloss Ben mit seinem Schlüssel ab. Er passte.
Auf dem Weg zurück ließ sich Ben das Anwesen von Herrn Xabon zeigen, dessen aufgetakelte Gattin ihren Schoßdrachen so furchtbar verhätschelte und ihn wohl zu Tode füttern würde, wenn Ben nichts dagegen unternahm. Dabei stellte er fest, dass der Händlerpalast direkt daneben von einem stachelbewehrten, erdbraunen Wachdrachen im Auge behalten wurde. Dieser ging Ben höchstens bis zum Knie und trabte mit hoch erhobenem Kopf durch die symmetrisch gestaltete Gartenanlage. Immer wieder stieß er ein Röcheln aus und pustete dabei weiße Aschewölkchen durch die Nüstern. Wäre der auch nachts draußen, könnte Aiphyron ihn sicher einfach im Flug aus dem Anwesen fischen und in einer Klaue mitschleppen.
Des Weiteren ließ sich Ben von Finta noch einiges über seine angebliche Heimat erzählen, was er dann alles für Mircah beim Mittagessen und einem kleinen Spaziergang danach wild ausschmückte, damit alles zur nächtlichen Pilgergeschichte passte und Mircah etwas zu lachen hatte. Sie
lachte tatsächlich viel. Anschließend verabschiedete er sich. Die Geschäfte seines Vaters würden ihn immer wieder in umliegende Dörfer führen, mehr könne er nicht verraten, aber er käme ganz bestimmt bald wieder.
»Ich bin noch eine ganze Weile in der Gegend«, versprach er, und Mircah und Frau Dogha freuten sich und bestanden darauf, dass er auch wirklich wiederkäme.
Bepackt mit frischem Proviant verließ er das Anwesen und vermeinte noch zu hören, wie sich Frau Dogha bei ihrem Mann leise erkundigte, ob nicht Cithos Vater auch ein Angebot abgeben möchte, er sei doch ein guter Geschäftspartner. Aber wahrscheinlich hatte er sich verhört.
»Leider nein«, vernahm Ben noch Fintas Antwort, und dann war er durch das Tor und außer Hörweite. Schnurstracks durchquerte er die Stadt, die ihm allmählich vertraut war, und verließ sie diesmal durch das Tor in Richtung Kloster. Er musste einfach einen Blick darauf werfen, bevor er zu seinen Freunden zurückkehrte.
»Was willst du?«, fragte einer der zwei Wachposten am mächtigen Klostertor. Beide waren einen guten Kopf größer als Ben, bestimmt doppelt so breit und in glänzende Rüstungen gekleidet. Ihre langen Umhänge strahlten in leuchtendem Rot.
»Ich bin ein Gast in Rhaconia, komme von weit her und wollte höflichst fragen, ob ich einen kurzen Blick in dieses weithin berühmte Kloster werfen dürfte.« Ben strahlte die beiden an.
»Wirst du erwartet?«, fragte der Wachposten ungerührt.
»Erwartet?« Ben stellte sich weiterhin naiv und bemühte sich, das Strahlen aufrechtzuerhalten. »Ich befürchte, nein.
Aber ich bin schrecklich neugierig und ein Gast in diesem schönen Land.«
»Nicht in diesem Kloster. Nicht, wenn du nicht erwartet wirst.«
»Es sei denn, du hast ein angemessenes Anliegen.« Der zweite Wachposten musterte ihn abschätzig, als könne er das nicht glauben. Die Farben eines Händlers halfen wohl nicht überall weiter. »Wir kommen ja auch nicht zu dir und wollen mal eben deine Küche besichtigen.«
»Nein, natürlich nicht.« Ben lachte furchtbar freundlich und versuchte, zwischen den Wachposten hindurch einen Blick ins Innere der Klosteranlage zu werfen. In dem Teil des Innenhofs, den er überblicken konnte, entdeckte er drei dieser Knappeneinheiten, die verbissen marschierten, während zwei weitere Knappen den sauberen, lang gezogenen Hof fegten. Einer aufrecht mit einem Reisigbesen, der andere auf den Knien mit einer winzigen Bürste, die vielleicht für Haare geeignet war, aber sicher nicht für die großen weißen Steinplatten. In ihm erkannte Ben den Jungen, der beim Marschieren
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