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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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würde. Und dass sie sicher keines mit ihm hätte. Also ließ er es sein und fragte stattdessen: »Und dich stört das nicht?«
    »Was?«
    »Na, die Angebote für dich? Dass du, ähm, verschachert wirst.«
    »Verschachern sagt man nicht.« Pikiert schürzte sie die
Lippen, dann lächelte sie stolz. »Es sind wirklich gute Angebote dabei. Nur wenige Töchter eines unabhängigen Händlers wurden je höher gehandelt. Was soll mich daran stören? «
    »Äh, nichts.« Ben schüttelte den Kopf. Und sie behauptete, in seiner Heimat gebe es seltsame Bräuche. Sollten sie irgendwann tatsächlich alle Drachen befreit haben, würde er über nächtliche Bekanntmachungen nachdenken, die das Verkaufen von Töchtern verboten.
    »Ich habe nur die Hoffnung, dass vielleicht ein anderer, wohlhabender Geschäftspartner meines Vaters ein noch höheres Gebot abgibt. Vielleicht für seinen Sohn in meinem Alter«, sagte sie leise und starrte dabei wieder auf ihre Füße.
    Weil Ben nicht wusste, ob sie von ihm sprach oder nur ganz allgemein, schwieg er.
    »Bei euch geben Väter keine Angebote ab, oder?«, fragte sie und hob den Blick.
    »Nein, das ist nicht üblich.«
    Sie presste die Lippen aufeinander und nickte. »Ich glaub, ich geh jetzt besser. Vielleicht magst du mir ja morgen von deiner Heimat erzählen? Tagsüber, wenn mein Vater nichts dagegen hat.«
    Ben nickte und öffnete langsam die Tür. Auf dem Flur war niemand zu sehen, auch keine Schritte zu hören. »Dann bis morgen.«
    »Bis morgen«, sagte Mircah und drückte ihm im Vorbeigehen ganz schnell einen Kuss auf die Lippen.
    »Entschuldige«, sagte sie noch und huschte aus dem Zimmer. »Ich hoffe, der war keusch genug, damit du nicht pilgern musst.«
    Nein, pilgern musste er nicht. Nur eisern schweigen.

NEUE VERBÜNDETE
    A m nächsten Tag zeigte Finta Ben auch die anderen Bereiche seines Anwesens. Das Gras war kurz geschnitten, hohe Olivennusspalmen und sauber gestutzte Horn-beersträucher flankierten die gewundenen Wege. Direkt neben dem Palast, jedoch mit einem eigenen Eingang zur Straße hin, lag das goldverzierte Handelshaus, in dem Finta wichtige Geschäfte abschloss und auch wertvolle Waren lagerte wie Edelmetalle, Schmuck, Gemälde und seltene Schriften. Die Räume waren groß und prunkvoll und bestens dazu geeignet, Eindruck zu schinden.
    Auch das Dienstbotenhaus, das sich ein Stück dahinter anschloss, hatte eine beeindruckend schöne Fassade. Hinein gingen sie nicht, das sei uninteressant, sagte Finta, und nicht angemessen.
    Ben wollte eben widersprechen, da entdeckte er durch die Büsche und Baumstämme hindurch etwas, das all seine Aufmerksamkeit beanspruchte. Weit hinten auf dem Grundstück waren ein paar Felsen und Steinplatten zu einem flachen künstlichen Hügel von vielleicht vier Schritt Höhe aufgeschichtet. Daneben befanden sich zwei weitläufige, halb zugewachsene Drachenställe, die ihm bislang nicht aufgefallen waren.
    »Du hast Drachen?«, entfuhr es ihm, und er beschleunigte seinen Schritt. Er hatte in der Nacht und den ganzen Morgen weder ein Fauchen gehört noch etwas gerochen.
    »Ich hatte einen«, sagte Finta, der sich eilte, mit Ben
Schritt zu halten. »Mein Vater hatte zwei, daher die beiden Ställe.«
    »Und wo ist deiner jetzt?« Ben hatte die Ställe inzwischen erreicht und stellte enttäuscht fest, dass beide leer waren.
    »Drachen sind ein Zeichen von Macht und Einfluss, sie sind wichtig, wenn man sich selbst darstellen will. Also war Kristallkralle auf Handelsreisen immer dabei. Auch auf der Seeschwalbe, als wir gesunken sind.«
    »Aber Drachen können schwimmen«, protestierte Ben leise und dachte an die gewaltigen Wellen, die über das Schiff hereingebrochen waren, an die geborstenen Planken, die vom Sturm umhergeschleudert worden waren. Warum hatte er sich nicht wenigstens über Wasser halten können, bis sie gekommen waren?
    »Er wurde vom umknickenden Mast am Kopf getroffen und über die Reling gefegt«, sagte Finta tonlos. »Er versank wie ein Stein, muss wohl benommen gewesen sein.«
    »Verdammt.« Ben spürte Mitleid mit dem Drachen, den er nie getroffen hatte.
    »Ja.«
    »Das tut mir leid. Sehr leid.«
    »Danke.« Finta zuckte mit den Schultern und holte tief Luft. »Damals wusste ich das mit den Flügeln nicht. Dass sie nicht verflucht sind.« Es klang, als wolle er sich bei Ben entschuldigen, einen flügellosen Drachen besessen zu haben.
    »Woher hättest du es auch wissen sollen?«, sagte Ben und starrte auf den leeren linken

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