Das Verlies
könnte sich ein weiteres Opfer suchen. Haben Sie vielleicht auch schon ein potenzielles Opfer im Visier? Er ist kein Serienkiller …«
»Die meisten Serienkiller fangen mit einem Mord an …«
»Aber nicht so«, sagte Berger kopfschüttelnd. »Mir ist kein Fall eines Serienkillers bekannt, der, um die Polizei in die Irre zu führen, erst seine Entführung inszeniert, dann zwei Leute entführt, diese tötet und sich schließlich selbst schwere Verletzungen beibringt. Ich halte ein weiteres Verbrechen für ausgeschlossen.«
»Wisst ihr, was unser Problem ist?«, fragte Durant und zündete sich eine Zigarette an. »Wir sprechen die ganze Zeit über im Konjunktiv. Könnte, müsste, möglicherweise et cetera pp. Wie kommen wir Lura bei? Lasst uns mal kurz ein Brainstorming machen und alle Fakten zusammenlegen, die wir bisher haben. Anschließend gehen wir nach Hause und machen uns ein schönes Wochenende und denken vielleicht mal jeder für sich nach, wie’s weitergehen soll.«
»Von mir aus«, sagte Kullmer, die andern nickten nur.
»Frank, schreib doch mal die Punkte an die Tafel …«
Nach zwanzig Minuten war die Tafel voll geschrieben. Durant warf noch einmal einen langen Blick darauf und sagte: »Habt ihr die Privatadresse von diesem Meißner?«
»Aber sicher doch«, antwortete Kullmer, ging zu seinem Schreibtisch und kam mit einem Zettel zurück, den er Durant reichte.
»Meißner wird uns weiterhelfen. Er kann es sich nicht leisten, uns seine Kooperation zu verweigern, dazu steht für ihn zu viel auf dem Spiel. Eine unglaubliche Hilfe für uns wäre natürlich, wenn wir die Kreutzer dazu bewegen könnten, eine eidesstattliche Aussage zu machen, dass Lura sie misshandelt, vergewaltigt und ihr anschließend ein sattes Schweigegeld gezahlt hat. Das wird uns allerdings eine Menge Überredungskunst kosten. Und ganz wichtig ist Luras Bruder. Warum der auf einmal so umgeschwenkt ist, bleibt mir ein Rätsel. Außerdem muss Beckers Kanzlei auf den Kopf gestellt werden, vielleicht finden wir Unterlagen, aus denen hervorgeht, wie oft Becker Luras Sauereien gedeckt hat. Ich könnte mir vorstellen, dass Lura in der Vergangenheit auch noch mit anderen Damen ähnlich verfahren ist … Was ist eigentlich mit der Hausdurchsuchung von Luras Haus? Und ich hab euch doch auch gebeten, mal in seiner Vergangenheit zu forschen.«
»Eins nach dem andern. Die Kollegen müssten inzwischen auf dem Weg hierher sein, bis vorhin aber Fehlanzeige. Ich glaub, wir könnten das ganze Haus Stein für Stein abtragen und würden nichts finden. Seine Vita, zumindest das, was wir so rausfinden konnten, liest sich eher normal. Wohlhabendes, aber nicht reiches Elternhaus, behütete Kindheit, Abitur mit achtzehn, Notendurchschnitt 1,0. Danach sofort auf die Uni, Studium der Betriebswirtschaft und Psychologie …«
»Das wissen wir schon«, sagte Durant.
»Mit gerade mal vierundzwanzig beide Examen bestanden, danach hat er bei seinem Vater angefangen zu arbeiten, bis er vor fünfzehn Jahren das Autohaus übernahm und komplett umkrempelte. Vom Wehrdienst wurde er wegen eines Knieschadens befreit. Strafrechtlich bisher nicht auffällig geworden, der Typ scheint auch seine Steuern auf Heller und Pfennig zu bezahlen,na ja, eben ein durch und durch sauberer Kerl. Was er allerdings privat so getrieben hat, entzieht sich unserer Kenntnis.«
»Sonstige Aktivitäten?«
»Er engagiert sich für Straßenkinder in Südamerika und unterstützt mehrere Obdachlosenheime in Frankfurt und Umgebung. Kunstfreak, der schon etliche Ausstellungen mitfinanziert hat, also am Geld scheint’s bei ihm nicht zu hapern. Ansonsten null, nada, niente, was seine Person angeht. Und was seine Häuser betrifft – hier im Rhein-Main-Gebiet hat er nur das in Schwanheim. Alle andern sind viel zu weit weg. Eine Wohnung in Berlin, eine in Hamburg und in München und insgesamt sechs Häuser in Italien, Frankreich und Spanien.«
»Und über sein Privatleben wissen wir so gut wie gar nichts. Nur das, was uns seine Frau und sein Bruder erzählt haben. Die Frau ist tot, und sein Bruder behauptet auf einmal, es sei alles ganz anders. Lura muss uns seine dunkle Seite zeigen, aber wie stellen wir das an, ohne dass er hinter unsern Plan steigt und uns gleich wieder verarscht?«
»Du bist die Einfühlsame bei uns«, sagte Hellmer grinsend. »Dir wird schon was einfallen.«
»Na gut, machen wir Schluss für heute. Wenn nichts Unerwartetes dazwischenkommt, sehen wir uns am Montag in alter
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