Das Verlies
früher einmal davon erzählt, wir hätten womöglich dieses Unglück verhindern können. Ist dir das eigentlich klar?«, sagte Wolfram nicht ohne Vorwurf in der Stimme.
»Es ist mir doch erst gestern klar geworden, aber da war es längst zu spät. Sollte Rolf jedoch Gabi umgebracht haben, dann werde ich dafür sorgen, dass er seine gerechte Strafe bekommt.«
»Geh zur Polizei, mehr kann ich dir nicht raten. Die waren gerade vorhin bei mir, für die ist nämlich der Fall noch längst nicht abgeschlossen. Vor allem diese Frau Durant scheint mir eine ziemlich hartnäckige Person zu sein.«
»Nein, ich gehe nicht zur Polizei. Was soll ich denen denn sagen? Dass ich mir vorstellen könnte, dass mein eigen Fleisch und Blut seine Frau ermordet hat? Soll ich denen vielleicht auch noch sagen, was für ein miserabler Ehemann und Vater ich bin? Nein, diese Kraft habe ich nicht mehr. Ich bin hergekommen, um dich zu bitten, ein Auge auf Rolf zu haben. Du bist noch jung und hast den Elan herauszufinden, ob an meiner Vermutung etwas dran ist. Ich kann das nicht mehr.«
»Und wie soll ich das anstellen? Rolf lässt mich nicht an sich heran.«
»Doch, das wird er, wenn du es einigermaßen geschickt anstellst. Du bist doch so einfallsreich. Mensch, ich habe alle deine Artikel und Kolumnen gelesen, du hast Talent. Komm, Junge, tu’s Gabi und Markus zuliebe.«
»Also gut, ich werde mein Bestes versuchen. Aber ich kann nichts versprechen.«
»Das sollst du auch nicht. Ich bitte dich nur, die Wahrheit herauszufinden, damit ich wieder ruhig schlafen kann.« Horst Lura stand auf, lächelte verkniffen und sagte zum Schluss:»Ich muss los, deine Mutter wird sonst misstrauisch. Es ist ein verdammtes Schweineleben.«
»Mach’s gut und lass dich nicht unterkriegen. Und wenn sie wieder mal zuschlägt, dann schlag einfach zurück.«
»Sie hat das schon lange nicht mehr gemacht. Wir spielen nach außen hin weiter die heile Welt, die glückliche Familie, aber wie’s hinter den verschlossenen Türen aussieht, geht keinen was an. Und was ich dir heute erzählt habe, das habe ich noch keinem erzählt. Aber vielleicht ist es ganz gut, dass es endlich raus ist. Bis dann, ich melde mich in den nächsten Tagen bei dir. Und solltest du etwas brauchen, sag Bescheid.«
An der Tür umarmte Wolfram seinen Vater und sagte leise: »Was ist bloß mit unserer Familie los?«
»Irgendwann wirst du das alles verstehen. Ich hab dir noch viel, viel mehr zu erzählen. Das eben war nur ein kleiner Teil von dem, was geschehen ist. Halt die Ohren steif.«
Wolfram wartete, bis sein Vater die Treppe hinuntergegangen war. Im Flur stand Andrea und sagte: »Ich glaube, ich möchte jetzt bald wissen, was in deinem Leben alles passiert ist. Wenn ich es nicht mit eigenen Ohren gehört hätte, ich würde deinen Vater für verrückt erklären. Eigentlich ist das ein Stoff für einen Roman.«
»Vielleicht heute Abend. Ich bin müde und muss mich hinlegen. Am liebsten würde ich hingehen und meiner Mutter ins Gesicht schreien, was ich von ihr halte. Aber sie würde natürlich alles abstreiten. Komm, setz dich ein bisschen zu mir, ich mag jetzt nicht allein sein.«
Freitag, 16.20 Uhr
Polizeipräsidium, Lagebesprechung. Die Kollegen warteten bereits auf Durant und Hellmer, Kullmer und Seidel waren in Bergers Büro und wirkten ziemlich aufgekratzt.
»Hi«, sagte Durant, hängte ihre Tasche über den Stuhl und setzte sich. »Gibt’s hier Kaffee?«
»Ich hol dir einen«, erwiderte Seidel und kam wenige Sekunden später mit einem Becher zurück.
»Danke. Seid ihr schon auf dem Sprung nach Hause?«
»Noch nicht ganz«, antwortete Kullmer und grinste Seidel an. »Wir haben vorhin die vorläufigen Ergebnisse der KTU und der Rechtsmedizin bekommen. Womit sollen wir beginnen?«
»Rechtsmedizin«, sagte Hellmer.
»Okay.« Kullmer nahm die Akte zur Hand. »Also, zu achtzig Prozent waren die Lura und Becker schon tot, als das Auto angezündet wurde.« Er hielt inne und sah in die Runde.
»Mann, jetzt mach’s doch nicht so spannend«, sagte Durant etwas gereizt und nippte an dem heißen Kaffee. »Was heißt zu achtzig Prozent?«
»Dazu muss man das Ergebnis der KTU kennen. Weder Becker noch die Lura hatten auch nur die geringsten Rußpartikel in den Atemwegen, und auch das Blut zeigt keine erhöhten CO 2 Werte. Aber, und das ist interessant, der Brand ging zweifelsfrei von der Mitte der Motorhaube aus. Das spricht dafür, dass Becker das Auto von außen angezündet haben
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