Das Verlies
einem zweiten Entzug bekomme ich sie nicht wieder.«
»Hat er Sie mit irgendetwas in der Hand?«, fragte Durant.
»Vergessen Sie’s. Ich habe meine Aussage gemacht, und das war’s. Nur so viel, Lura kennt so ziemlich alle Mittel und Wege, um einen Menschen zu ruinieren.«
»Hat er es auch bei Ihnen probiert?«
»Nein, schließlich braucht er mich.«
»Würden Sie ihm einen Mord zutrauen?«
»Keine Ahnung. Nein, eigentlich nicht. Außerdem, warum sollte Lura ein Mörder sein, er wurde doch entführt.«
»Sind Sie mit ihm befreundet?«, fragte Durant, ohne auf die letzte Bemerkung einzugehen.
Meißner lachte kehlig auf. »Frau Durant, mit einem wie ihm kann man nicht befreundet sein.«
»Was heißt, mit einem wie ihm?«
»Er ist kalt bis ins Mark. Er tut zwar so, als wäre man sein Freund, doch letzten Endes bestimmt er die Regeln einer Freundschaft.«
»Wie sind Sie mit ihm bekannt geworden?«
»Über Becker. Mein damaliger Anwalt kannte ihn und hat ihn mir empfohlen. Auf diese Weise lernte ich auch Lura kennen.«
»Bei welcher Gelegenheit?«
»Lura stand eines Tages in meiner neu eröffneten Praxis, und damit hat sich alles Weitere wie von selbst ergeben.«
»Dann möchte ich Sie doch noch einmal fragen, ob Sie in irgendeiner Abhängigkeit zu ihm stehen? Hat er Ihnen damals geholfen, als Sie neu in Frankfurt waren?«
Meißner lachte unnatürlich auf und sagte: »Geholfen! Mein Gott, ich war ein halbes Jahr hier und hatte es mit Müh und Not geschafft, einen Kredit zu bekommen, um die Praxis mit dem Notwendigsten einzurichten, und Sie können sich wahrscheinlich kein Bild machen, was das kostet. In Münster hätte ich kein Bein mehr auf den Boden gekriegt, ich hab’s schließlich dreiJahre lang vergeblich versucht. Aber da waren zum einen die Leute, für die ich nur der böse Arzt war, zum andern die Banken, die alle abgewunken haben, weil die natürlich auch von meiner unseligen Vergangenheit wussten, und dieses Risiko wollten sie nicht eingehen …«
Er machte eine Pause, und als er nicht weitersprach, fragte Durant: »Und dann?«
»Tja, dann kam Lura. Er war damals noch nicht verheiratet, aber er hatte sich an einer jungen Dame vergriffen und mich gebeten, sie zu versorgen. Ja, und so ging das all die Jahre über weiter. Er muss einen unglaublichen Hass auf Frauen haben. Oder er hat Komplexe. Auf jeden Fall ist er krank.«
»Wie sah denn seine finanzielle Unterstützung aus?«
»Ich konnte meine Praxis auf einen sehr modernen Stand bringen, und er hat mir geholfen, meine Schulden abzubezahlen, indem er mich an eine betuchte Klientel weiterempfohlen hat, was natürlich eine Menge Geld einbringt. Was glauben Sie, wie viele von diesen blasierten Neureichen zu mir kommen, um sich die Langeweile zu vertreiben. Die kommen mit allen möglichen Wehwehchen, ich höre ihnen zu, verschreibe ihnen ein homöopathisches Mittel oder versetze sie in einen tranceähnlichen Zustand, und sie sind zufrieden – bis zum nächsten Mal.«
»War auch Becker jedes Mal dabei, nachdem Lura eine dieser Frauen misshandelt hatte? Ich meine, wenn Sie gerufen wurden.«
»Nicht immer. Das heißt, er war schon immer zur Stelle, wenn mal wieder etwas vorgefallen war, aber wir waren selten gleichzeitig vor Ort. Becker war für das Geschäftliche zuständig.«
»Was meinen Sie damit?«
»Er hat die Damen jedes Mal einen Vertrag unterschreiben lassen, in dem sie versicherten, nie etwas mit Lura gehabt zu haben. Sie haben Geld bekommen, sozusagen Schmerzensgeld, und vielleicht noch etwas anderes, und damit war der Fall erledigt.«
»Hat Becker mit Ihnen darüber gesprochen?«
»Ja.«
»Wie stand er denn dazu? Hat er das gerne gemacht?«
»Ganz im Gegenteil. Ihm hat das genauso gestunken wie mir. Aber genau wie ich war auch er auf Lura angewiesen.«
»Inwiefern?«
»Lura hat verdammt viel Geld. Was glauben Sie, was der mit seinen Luxusschlitten verdient? Das sind leicht fünf bis sechs Millionen Euro im Jahr, das hat mir Becker einmal verraten, als er einen über den Durst getrunken hatte. Dazu kommt, dass ihm eine ganze Reihe von Immobilien gehören, nicht nur hier, sondern auch im Ausland. Er ist jedenfalls reicher, als man das von einem schnöden Autohändler erwarten würde. Sein Vermögen dürfte sich so auf zwanzig bis dreißig Millionen Euro belaufen, die Immobilien natürlich ausgeschlossen. Deshalb kann er sich auch alles leisten. Er kauft Menschen, benutzt sie, und wenn er sie nicht mehr braucht, wirft er sie
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