Das Verlies
zündete sie sich eine Zigarette an und stieg in ihren Corsa. Auf der Fahrt zurück nach Frankfurt stellte sie das Radio auf volle Lautstärke. Sie wollte nur noch baden, etwas essen und die Beine hochlegen. Lura. Ihr war jetzt endgültig klar, dass er zwei Morde begangen hatte. Aber es würde schwer werden, ihm diese Taten nachzuweisen.
Freitag, 20.10 Uhr
Rolf Lura war seit zwei Stunden zu Hause. Er war von einem Taxi gebracht worden und hatte sich als Erstes einen Whiskey eingeschenkt und ausgetrunken. Sein Blick war düster, als er das Chaos sah, das die Beamten von der Spurensicherung hinterlassen hatten. Er war durch jeden Raum gegangen, in den Keller und in die Garage, und war von Minute zu Minute wütender geworden. Gottverdammte Bullen!, dachte er zornig und ließ sich auf die Couch fallen, wischte mit der rechten Hand ein paar Bücher weg und legte die Beine auf den Tisch. Sein linker Arm war in einer Schlinge. Er zog ihn vorsichtig heraus, seine ganze Brust schmerzte, aber das würde bald Vergangenheit sein. Nach dem dritten Glas schwand die Wut allmählich, er grinste vor sich hin und dachte, ihr könnt mich alle mal. Ich habe das perfekte Verbrechen begangen, und ihr könnt noch so viel rumeiern, mich kriegt ihr nicht. Ich weiß, dass ihr mich verdächtigt, ich würde das an eurer Stelle auch tun, aber ihr habt nicht einen einzigen klitzekleinen Beweis.
Er stand auf, griff zum Telefon und wollte bereits eine Nummer eintippen, als er innehielt und den Hörer gleich wieder auf die Einheit legte. Nein, nein, nein, beinahe hättest du einen Fehler begangen, lieber Rolf. Du wirst jetzt einen kleinen Spaziergang machen und von einer Telefonzelle aus anrufen, dachte er mit einem noch breiteren Grinsen. Liebe Frau Durant, jetzt werde ich dir zeigen, wie gut ich bin.
Er zog einen Mantel über, nahm den Schlüssel, vergewisserte sich, dass er auch allein war, und ging etwa fünfhundert Meter, bis er an der Telefonzelle anlangte. Er holte das Portemonnaie aus der Hosentasche, steckte die Telefonkarte, die er für alle Fälle immer bei sich hatte, in den Schlitz und tippte die Nummer ein, die er inzwischen auswendig kannte.
Mandy Preusse. Sie war Anfang des Jahres aus Chemnitz nach Frankfurt gekommen und arbeitete seitdem zusammen mit Judith Klein in der Buchhaltung des Autohauses. Eine nette junge Frau, doch sie war nicht ganz sein Typ. Ihre Haare waren zu kurz, und ihn störte auch das Piercing am Kinn. Wozu zum Teufel muss man sich so verunstalten, hatte er beim Vorstellungsgespräch gedacht. Auch mochte er diesen sächsischen Akzent nicht sonderlich, er hatte in seinen Ohren etwas Asoziales. Doch Rolf Lura sagte sich, die junge Frau werde ohnehin nur in der Buchhaltung tätig sein und keine Verkaufsgespräche führen. Aber, und das war ihm gleich beim ersten Mal nicht entgangen, sie hatte eine sehr ansehnliche Figur mit großen Brüsten und einem nicht zu breiten Becken. Und er hatte sofort gemerkt, dass es ein Leichtes für ihn sein würde, sie bei Gelegenheit ins Bett zu kriegen. Er kannte die Frauen zur Genüge und konnte Blicke und Gesten deuten. Und er verstand auch die Körpersprache sehr wohl und spürte bei diesem ersten Gespräch, dass hinter der scheinbar selbstbewussten und selbstsicheren Mandy Preusse ein introvertiertes, zurückhaltendes Wesen steckte.
»Ja, bitte?«
»Frau Preusse?«
»Ja.«
»Hier Lura. Ich hoffe, ich störe nicht.«
»Herr Lura! Das ist aber schön, dass alles … Oh, entschuldigen Sie, aber das Unglück, wir haben das mit Ihrer Frau gelesen …«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Was passiert ist, ist eben passiert. Weswegen ich anrufe … ähm … mir geht es im Augenblick nicht sonderlich gut, und ich wollte Sie fragen, ob Sie heute Abend schon etwas vorhaben?«
»Nein, überhaupt nichts«, antwortete sie schnell, doch Lura hörte an ihrem Ton, dass sie nicht ganz die Wahrheit sagte, ihm zuliebe aber alle Pläne über den Haufen warf.
»Könnte ich vielleicht so in einer Dreiviertelstunde bei Ihnenvorbeikommen? Mir fällt die Decke auf den Kopf. Ich will Sie aber um Himmels willen nicht belästigen.«
»Herr Lura, Sie belästigen mich nicht. Sie wissen, wo ich wohne?«
»In der Waldschulstraße in Griesheim, richtig?«
»Genau. Nummer 23, zweiter Stock. Wir können ja etwas trinken gehen, wenn Sie Lust haben.«
»Ja, gerne. Ich mach mich gleich auf den Weg. Vielleicht werden’s auch zehn Minuten später, heute geht alles noch etwas langsam. Nochmals
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