Das Verlies
Spurensicherung.
»Ich sollte anrufen, wenn wir was haben. Wir haben tatsächlich was gefunden. Und zwar Blut auf dem Fahrersitz und im Kofferraum. Dazu einige kurze blonde Haare. Wir haben dasZeug ins Labor gebracht und lassen es dort untersuchen. Wenn es zu Lura gehört, dann habt ihr es wohl mit einem Gewaltverbrechen zu tun.«
»Bullshit!«, stieß Hellmer aus. »Jetzt kennen wir natürlich nicht die Blutgruppe von ihm. Wann habt ihr denn das Ergebnis?«
»So gegen acht, halb neun. Seine Blutgruppe dürfte ja nicht schwer rauszukriegen sein, oder?«
»Sicher nicht. Danke für die Nachricht. Dann weiß ich ja, was morgen so auf uns zukommt. Bis irgendwann.« Er drückte den Aus-Knopf und sah Nadine nachdenklich an. »Du hast alles mitbekommen?«
»Denk schon. Und jetzt?«
»Schlafen. Was sollen wir mitten in der Nacht schon anderes machen?«
»Und die nächsten Tage oder Wochen werde ich mit Stephanie wieder ziemlich viel allein sein«, seufzte Nadine auf. »Wie lange willst du diesen Job eigentlich noch machen? Ist der dir wirklich so viel wert?«
»Nadine, bitte, nicht jetzt. Das haben wir doch schon tausendmal durchdiskutiert. Ich liebe meinen Beruf, auch wenn er mich manchmal ankotzt. Aber jeder noch so kleine Erfolg sagt mir, dass ich genau dort gebraucht werde, wo ich bin. Wirst du das jemals verstehen?«
»Keine Ahnung. Aber ständig mit der Angst zu leben, eines Tages könnte einer deiner Kollegen vor der Tür stehen und mir sagen, dass du nicht wiederkommst, weil irgend so ein Verrückter … Mensch, Frank, ich weiß, dass du gebraucht wirst, aber die Angst kannst du mir nicht nehmen. Einmal wärst du beinahe draufgegangen. Die Kugel hätte nur ein kleines bisschen höher treffen müssen, und ich würde jetzt mit Steffi ganz allein dasitzen.«
»Sie hat aber nicht höher getroffen. Und das war überhaupt das erste Mal, dass ich in nunmehr achtzehn Jahren Polizeidienstin eine Schießerei verwickelt wurde. Hab einfach Vertrauen. Und denk dran, wenn ich nicht bei der Polizei wäre, wären wir beide nicht zusammengekommen.«
»Das war schon ’ne verrückte Geschichte, was?«, sagte sie und kuschelte sich an ihn. »Erst trennen wir uns, dann hören wir eine Weile nichts voneinander, und dann auf einmal passieren so unglaubliche Dinge, dass ich mich heute noch frage, wer da wohl alles die Hand im Spiel hatte. Wie heißt es doch so schön – man trifft sich immer zweimal im Leben. Und jetzt komm, du hast morgen einen langen Tag vor dir. Und eins darfst du nie vergessen – ich liebe dich über alles.« Sie machte eine kurze Pause, sah ihn mit schelmischem Blick an und fügte grinsend hinzu: »Auch wenn ich deinen Beruf hasse!«
»Schon gut, du liebst mich und hasst meinen Beruf. Solange es nicht umgekehrt ist, soll’s mir recht sein.«
Bevor sie einschliefen, liebten sie sich, und es war fast halb zwei, als Nadine in Franks Arm einschlief. Er lag noch eine Weile wach, dachte an den zurückliegenden Tag und drehte seinen Kopf schließlich so, dass er den Duft ihres Haares einatmen konnte. Er liebte diesen Duft.
Dienstag, 23.10 Uhr
Gabriele Lura ging seit über einer Stunde ruhelos im Wohnzimmer auf und ab, schielte immer wieder zum Telefon und fragte sich, ob sie anrufen oder lieber bis morgen warten sollte. Der Besuch der Kommissare hatte sie verunsichert, aber sie hatte keine Angst, nein, wovor auch. Sollte ihrem Mann etwas passiert sein, was immer es auch war, sie würde nicht trauern. Sie hatte es ihm nicht gewünscht, aber weinen, nein. Die letzten dreizehn Jahre waren die Hölle gewesen, und sie hoffte, diese Hölle würde nun ein Ende haben. Doch eine innere Stimme flüsterte ihr zu, dass die Hoffnung verfrühtwar, dass noch irgendetwas kommen würde. Markus lag schon seit über zwei Stunden im Bett. Sie hatte ihm gute Nacht gesagt, bevor die Polizisten gekommen waren. Sie hatte mit ihm gebetet und ihm noch einmal versichert, dass alles gut werden würde. Jetzt schloss sie für einen Moment die Augen und dachte nach. Zehn nach elf, du kannst nicht um diese Uhrzeit anrufen, sagte sie sich. Schließlich griff sie doch zum Hörer und tippte mit zittrigen Fingern eine Nummer ein. Ein Mann meldete sich am andern Ende.
»Hallo, ich bin’s, Gabriele«, sagte sie, erleichtert, dass er am Telefon war.
»Was gibt’s denn?«, fragte er mit gedämpfter Stimme. »Irgendwas Neues?«
»Nein. Aber die Polizei war heute Abend zweimal hier. Sie haben Rolfs Auto in Höchst gefunden. Und ich habe das
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