Das Verlies
Ausgang nimmt.«
»Danke, und gute Nacht.«
Julia Durant und Frank Hellmer gingen langsam zu ihren Autos, zündeten sich am Tor eine Zigarette an und blieben noch einen Moment stehen. Die Nachtluft war klar und kühl, der am Tag noch nasse Asphalt begann allmählich zu trocknen.
»Die Sache stinkt«, sagte Hellmer und nahm einen tiefen Zug an seiner Zigarette. »Und die Frau ist mir ein Rätsel. Was stimmt mit ihr nicht?« Er schüttelte den Kopf und sah zum Haus, wo der von einem Motor angetriebene Rollladen allmählich das Wohnzimmerfenster verdeckte.
»Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit«, entgegnete Durant. »Sie hat weder Angst, noch zeigt sie irgendwelche Trauer, sie kommt mir vor wie eine … mir fällt nicht mal der treffende Ausdruck ein.«
»Mumie?«
»Nee, so nun auch wieder nicht. Es berührt sie einfach nicht. Man könnte fast glauben, dass sie froh ist … Meinst du, hier kriegt jemand mit, wenn einer aus der Garage fährt?«
»Die Nachbarn?«
»Zum Beispiel. Doch wenn Lura seit Jahren jeden Morgen um dieselbe Zeit das Haus verlässt, dann wird das auch für die Nachbarn zu einer Alltäglichkeit, der man keine Beachtung mehr schenkt. Aber Fakt ist, sein Auto wurde irgendwann heute am frühen Vormittag in der Emmerich-Josef-Straße abgestellt, und die liegt weiß Gott nicht auf der Route zu seinem Geschäft. Außerdem sind die Scheiben ziemlich dunkel getönt, weshalb ich bezweifle, dass jemand sehen kann, wer im Wageninnernsitzt. Was ist hier also passiert? Was, wenn der Wagen schon gestern Abend oder heute Nacht dort abgestellt wurde? Nachts laufen da keine Politessen rum und verteilen Knöllchen.«
»Augenblick«, sagte Hellmer und zog die Stirn in Falten, »damit würdest du behaupten, dass seine Frau lügt. Das ist dir doch klar, oder?«
»Ich spiel nur alle Möglichkeiten durch. Sie sagt, er ist heute Morgen um acht weggefahren. Wer kann es beweisen?«
»Kannst du beweisen, dass es nicht so war?«, fragte Hellmer zurück.
»Wir können überhaupt nichts beweisen, schon gar nicht mehr heute. Und außerdem, sie hat nichts damit zu tun, das war ’ne Scheißidee von mir. Weißt du was, ich fahr heim, ich hab nämlich die Schnauze gestrichen voll. Ich will nur noch in mein Bett und meine Ruhe haben. Und hoffentlich werde ich nicht gestört.«
»Also, die KTU ruft bei mir an, sobald sie was finden. Die Einzige, die deine wohlverdiente Ruhe stören könnte, ist sie«, sagte Hellmer und deutete auf das Haus. »Aber daran glaube ich nicht.« Er wollte bereits in seinen BMW einsteigen, als Durant ihn zurückhielt.
»Stopp mal. Nehmen wir an, die Geschichte stimmt, dass Lura um acht weggefahren ist. Um kurz nach halb elf hat eine Politesse einen Strafzettel hinter den Scheibenwischer geklemmt. Das ist eine Differenz von etwas mehr als zweieinhalb Stunden. Das heißt, ihm müsste, sofern er entführt wurde, schon gleich hier oder zumindest in der Nähe von seinen Entführern aufgelauert worden sein. Sie haben ihn in ein anderes Auto gezerrt und … Nein, verdammt noch mal, das passt auch nicht. Sie hätten ja Luras Wagen einfach am Tatort stehen lassen können, wie das die meisten Entführer machen. Vielleicht …«
»Warte, warte. Vielleicht hat er jemanden mitgenommen, den er kennt. Derjenige hat aber keine guten Absichten gehabt, ganz im Gegenteil. Er hat Lura gezwungen, an irgendeine einsameStelle zu fahren, wo ein oder mehrere Komplizen gewartet haben, man hat ihm eins übergebraten und das Auto demonstrativ in die Einkaufsstraße gestellt. Es könnte zumindest so gewesen sein … Mist, was ist in diesen zweieinhalb Stunden passiert? Auf der andern Seite, hätte man ihn entführt, mein Gott, die hätten sich doch längst gemeldet! Ich kapier das nicht. Lura wird sowohl von seiner Frau als auch von seiner Sekretärin als überaus korrekt bezeichnet. Keine offensichtlichen Feinde, keine Drohungen, keine Persönlichkeitsveränderungen, alles lief bis heute Morgen bestens bei ihm. Was hat sich wie abgespielt? Das ist die Frage, auf die wir keine Antwort haben.«
»Deine Theorie könnte hinhauen. Es könnte jemand sein, dem Lura vertraut hat. Lassen wir uns einfach mal überraschen, was unsere Spezies im Auto finden. Und jetzt verzieh ich mich endgültig. Bye-bye und bis morgen.«
»Ciao, und möge uns die Nachtruhe erhalten bleiben.«
Hellmer gab Gas und brauste davon, während Durant sich erst noch eine Zigarette ansteckte, den Motor startete und eine CD von Bryan Adams in ihren
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