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Das Verlies

Das Verlies

Titel: Das Verlies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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forsch. Sie standen im Flur, als Ursula Lura sagte: »Ich möchte Sie sehr darum bitten, Ihre Schuhe auszuziehen.«
    »Frau Lura, draußen ist es trocken, und wir haben saubere Schuhe. Wenn Sie möchten, können wir uns auch hier unterhalten«, entgegnete Durant kühl und schnippisch. Sie vermochte der ihr gegenüberstehenden Frau auch auf den zweiten Blick keinerlei Sympathie entgegenzubringen, im Gegenteil. Jetzt verstand sie, dass Gabriele Lura keinen guten Draht zu ihr hatte. Wahrscheinlich gab es kaum einen Menschen, der mit ihr auskam.
    »Dann kommen Sie eben rein …«
    »Wir wollen Sie auch bestimmt nicht lange behelligen«, beeilte sich Hellmer mit einem ironischen Unterton zu versichern. »Wir wollten nur ein paar Auskünfte über Ihren Sohn einholen. Es ist doch sicherlich auch in Ihrem Interesse, wenn wir ihn so schnell wie möglich finden, oder?«
    »Tut die Polizei denn auch alles, um ihn zu finden?«, fragte sie und deutete auf ein mit dunkelgrünem Samt bezogenes Sofa. Der Vorgarten blitzte, das Innere des Hauses hatte etwas von einem Museum, in dem nichts angerührt werden durfte. Auf einem großen Regal an der Wand standen hundert oder mehr Nippesfiguren, Kitsch, wie Hellmer und Durant fanden, ohne dass sie dies auszusprechen brauchten, doch nirgends war auch nur ein Buch zu sehen, kein Fernsehapparat, keine Musikanlage.Was machen die hier drin?, dachte Hellmer und sah sich unauffällig weiter um. Ein wuchtiger Eichenschrank zog sich über zwei Wände, der Fußboden war mit dicken Teppichen belegt, dunkle Holzpaneele an der Decke. Kein Krümel auf dem Boden, kein Staubkorn auf dem Tisch oder dem Schrank. Die Sterilität glich der eines Operationssaals im Krankenhaus. Durant fühlte sich unbehaglich in einer Wohnung wie dieser. Die Menschen, die darin lebten, mussten so kalt und so steril sein, dass man sie nicht einmal berühren mochte. An einem solchen Ort fiel ihr das Atmen schwer, und sie wollte ihn so schnell wie möglich wieder verlassen.
    »Das tut die Polizei«, versicherte Durant und nahm Platz. »Ist Ihr Mann auch zu sprechen?«
    Ursula Lura ging in den Flur und rief: »Horst, zwei Polizisten sind hier! Komm bitte, sie haben nicht viel Zeit!«
    »Hast du so was schon mal gesehen?«, flüsterte Durant, bevor Ursula Lura wieder zurückkam.
    »Nachher«, quetschte er durch die Zähne.
    »Mein Mann kommt gleich«, sagte sie und ließ sich in einem der drei Sessel nieder, schlug die Beine übereinander und faltete die Hände. Sie hatte es kaum ausgesprochen, als ein höchstens einssiebzig großer Mann das Zimmer betrat. Er hatte leicht nach vorn hängende Schultern und tiefe Falten um den Mund, doch seine Augen blitzten neugierig auf, als er die Beamten sah. Er machte einen freundlichen Eindruck, schien aber sehr zurückhaltend zu sein. Bis auf ein paar graue Haare über den Ohren hatte er eine Glatze. Er reichte erst Durant, dann Hellmer die Hand und setzte sich schließlich in den Sessel neben seiner Frau.
    »Glauben Sie, dass meinem Sohn etwas zugestoßen ist?«, fragte Ursula Lura, bevor die Kommissare etwas sagen konnten.
    »Wir können nur Vermutungen anstellen, aber wir haben keinerlei Beweise, was mit ihm geschehen ist oder sein könnte, ob er vielleicht auf eigenen Wunsch untergetaucht ist, ob ein Verbrechen vorliegt … Es gibt sehr viele Möglichkeiten.«
    »Aber Sie haben doch seinen Mercedes gefunden. Also muss sich mein Sohn in der Stadt aufhalten, oder?«
    »Der Wagen war leer, was aber nichts zu bedeuten hat. Er kann genauso gut in ein anderes Auto umgestiegen sein und …«
    »Frau …«
    »Durant.«
    »Frau Durant, jetzt allen Ernstes. Sie glauben doch selbst nicht, dass mein Sohn einen Mercedes im Wert von über hunderttausend Euro mitten in Höchst abstellt, um sich dann einfach so in Luft aufzulösen. Ich kenne meinen Rolf, er ist ein äußerst gewissenhafter Mann. Er würde das Geschäft, das er jetzt in der dritten Generation führt, niemals im Stich lassen. Und außerdem hat er eine Familie, um die er rührend bemüht ist. Also tischen Sie mir hier bitte keine Märchen auf«, sagte Ursula Lura mit einer gewissen Schärfe in der Stimme, wodurch sie noch schriller klang. »Wir machen uns größte Sorgen um ihn, und wir verlangen, dass Sie Ihre Ermittlungen so gewissenhaft wie nur möglich durchführen.«
    »Das tun wir bereits«, erwiderte Durant ruhig, obwohl sie Mühe hatte, diese Ruhe auch zu bewahren. Bleib gelassen, dachte sie nur, gleich bist du hier wieder raus.

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