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Das Verlies

Das Verlies

Titel: Das Verlies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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auf eine solche Spitze zu treiben, obwohl sie ihm inzwischen alles zutraute. Sie wusste nicht mehr, was sie denken oder fühlen sollte. In ihr waren Hoffnung und Angst zugleich, Hoffnung, der Albtraum ihrer Ehe würde endlich beendet sein, Angst vor etwas Ungewissem, das nicht greifbar war. Und Angst, man könnte sie verdächtigen, etwas mit dem Verschwinden ihres Mannes zu tun zu haben. Sie würde aber auf Gott vertrauen, so wie sie es immer getan hatte, und er würde sie nicht enttäuschen, im Gegensatz zu den Menschen, denen sie in der Vergangenheit so oft vertraut hatte.
    Sie wollte nur leben, in Freiheit und Sicherheit, sie wollte nicht mehr geschlagen und misshandelt und gedemütigt werden, wollte morgens nicht mehr mit dem Gefühl aufwachen, der Tagkönnte zu einem Horrortrip werden. Vor allem aber wollte sie nur geliebt werden, sanft und zärtlich.
    Sie fasste Markus an der Schulter und sagte: »Doch lass uns nicht jetzt darüber reden. Wenn ihm etwas zugestoßen ist, dann ist es tragisch, aber ändern können wir es nicht mehr. Und jetzt pack deine Sachen und nimm deine Zahnbürste mit. Und morgen Mittag kommst du bitte pünktlich nach Hause.«
    Um zehn vor zwei hatte Markus seinen Rucksack über die Schulter gehängt und verabschiedete sich von seiner Mutter mit einem Kuss auf die Wange. »Es wird alles gut, Mutti«, sagte er zum Abschied und drehte sich in der Tür noch einmal um. Sie winkte ihm nach, bis er am Tor war, und ging zurück ins Haus.
    Ja, es wird alles gut werden, dachte sie und legte sich auf die Couch, schloss die Augen und spürte das Pochen ihres Herzens bis in die Schläfen.

Mittwoch, 14.05 Uhr
    Peter Kullmer und Doris Seidel hatten etwa fünfzig Meter von dem Grundstück entfernt Stellung bezogen. Während sie die Einfahrt beobachteten, unterhielten sie sich über sehr persönliche Dinge. Jeder in der Abteilung wusste, dass Kullmer und Seidel mehr als nur Kollegen waren, dass es zwischen ihnen schon beim ersten Aufeinandertreffen gefunkt hatte, doch solange die Arbeit nicht darunter litt, so lange würde Berger eine Zusammenarbeit der beiden dulden.
    »Was tun wir hier eigentlich?«, fragte Kullmer nach einer Stunde ergebnislosen Wartens. »Glaubt Julia wirklich, dass die Frau was damit zu tun hat?«
    »Wenn er tatsächlich so ein schlimmer Finger ist oder war, halte ich nichts für unmöglich. Warten wir’s ab.«
    »Mir wird langsam kalt«, maulte Kullmer, als sich auch nach anderthalb Stunden nichts tat.
    »Tja, das ist eben unser Job. In drei Stunden haben wir’s hinter uns. Was machst du denn heute Abend?«
    »Keinen Schimmer. Wahrscheinlich schlafen. Außerdem, was heißt, was ich mache?«
    »Du verstehst auch keinen Spaß mehr. Bei dir oder bei mir?«, fragte Doris Seidel grinsend.
    »Diesmal bei mir. Wir lassen uns was vom Pizzaservice kommen, trinken ein Gläschen Rotwein und …«
    »Und was?«
    »Na ja, eben das.«
    »Okay«, antwortete sie nur und lehnte ihren Kopf zurück.
    Sie warteten noch eine weitere halbe Stunde, bis Kullmer im Rückspiegel einen silberfarbenen Jaguar näher kommen sah.
    »Duck dich«, sagte er nicht zum ersten Mal an diesem Nachmittag zu Seidel.
    Der Wagen fuhr langsam an ihnen vorbei und parkte etwa fünfzig Meter von Luras Haus entfernt. Ein dunkelhaariger Mann in einem Anzug und mit einem Aktenkoffer überquerte die Straße und klingelte.
    »Der Beschreibung nach müsste das dieser Anwalt sein«, murmelte Kullmer. »Was macht der denn schon wieder hier?«
    »Keine Ahnung. Frag ihn doch.«
    »Haha! Schauen wir doch mal, wie lange er bleibt. Ruf Julia an und gib ihr Bescheid.«
    Um Punkt sechs verließen sie ihren Standort und fuhren zurück ins Präsidium. Becker war noch nicht wieder aus dem Haus gekommen.

Mittwoch, 14.50 Uhr
    Rolf Luras Eltern wohnten in einem Bungalow am Stadtrand von Oberursel, umgeben von anderen Bungalows und Einfamilienhäusern. Die Mutter war eine mittelgroße,schlanke Frau mit grauen Haaren und stechend blauen Augen, einem schmalen Mund und einer langen, spitzen Nase. Sie ist keine hübsche Frau, ist es vermutlich nie gewesen, dachte Durant, als sie sie kurz betrachtete, um einen ersten Eindruck von ihr zu gewinnen, der alles andere als positiv ausfiel. Durant kannte Lura nur von einem Foto, doch die Ähnlichkeit zwischen ihm und seiner Mutter war unübersehbar. Sie kam an das Tor, nachdem Hellmer geklingelt hatte, ließ sich die Ausweise zeigen und bat die Beamten ins Haus. Ihre Stimme war hoch, fast schrill, ihr Gang

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