Das Verlies
eine ganze Menge erben, vorausgesetzt, Ihr Mann ist tot und seine Leiche wird gefunden. Wennseine Leiche allerdings verschwunden bleibt, entscheidet das Gericht, wann er für tot erklärt wird.«
»Das heißt, ich kann hier bleiben?«
»Natürlich.«
Die Beamten waren noch eine Stunde beschäftigt, dann brachen sie wieder auf. Außer dem Testament und der Versicherungspolice hatten sie nichts gefunden. Nachdem alle bis auf Hellmer, Kullmer und Seidel gefahren waren, sagte Durant: »Wir gehen morgen Vormittag noch mal rein. Eine Möglichkeit haben wir noch. Die KTU hat doch so’n Dingsda, mit dem für das Auge unsichtbares Blut nachgewiesen werden kann …«
»Du meinst ein CrimeScope«, sagte Kullmer.
»Wie immer das Ding auch heißt. Die sollen das mal einsetzen und den Boden und die Wände abscannen. Wenn die auch nichts finden, fangen wir wieder bei null an.«
»Und du bist sicher, dass die Lura hier nicht eine Riesenshow abzieht?«, fragte Kullmer skeptisch.
»Sicher bin ich erst, wenn alle Zweifel ausgeräumt sind. Aber mein Gefühl sagt mir, dass sie nicht lügt. Lura ist tot, davon bin ich überzeugt. Und er muss ein verdammt schlechtes Gewissen gehabt haben, sonst hätte er nicht dieses Testament verfasst. Fragt sich nur, wer ihn umgebracht hat. Aber das will ich heute nicht mehr besprechen, wir haben immerhin fast zehn. Wir sehen uns morgen früh in alter Frische. Bis dann.«
»Moment noch«, hielt Kullmer sie zurück. »Mir geht der Anwalt nicht aus dem Kopf. Nehmen wir mal an, Lura hat ihn wegen irgendwas in der Hand gehabt, weshalb er auch jeden noch so dreckigen Job für ihn erledigt hat. Irgendwann stinkt ihm dieser Druck so gewaltig …«
»Nein«, wurde er von Durant unterbrochen. »Du kennst doch die Anwälte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Lura kriminell ist oder war. Nach dem, was ich bisher über ihn weiß, ist er nach außen ein Saubermann. Der frisiert keine Bilanzen, bescheißt nicht das Finanzamt und geht mit Geschäftspartnern absolutloyal um. Das ist die eine Seite des Rolf Lura, nehme ich an. Dass er Frauen misshandelt, steht auf einem andern Blatt. Einer wie er braucht einfach einen guten Anwalt, fertig. Und Becker scheint gut zu sein. Wir nehmen ihn uns morgen mal richtig vor, und zwar, wenn er allein ist. Einverstanden?«
»Mach dich ab«, sagte Kullmer grinsend und setzte sich zu Seidel ins Auto.
Durant und Hellmer stiegen in den Dienstwagen. Er startete den Motor, musste aber warten, als von hinten ein älterer dunkler Honda Civic langsam die Straße entlangkam und an ihnen vorbeifuhr.
»Mann, was für ein Lahmarsch!«, fluchte Hellmer.
»Das ist eine Dreißiger-Zone«, sagte Durant nur und zündete sich eine Zigarette an, inhalierte tief und blies den Rauch aus dem halb geöffneten Fenster. »Ich freue mich auf meine Heia, glaubst du mir das?«
»Ich auch. Dieser Fall wird noch ’ne verdammt harte Nuss.«
»Sind wir das nicht gewöhnt? Bis jetzt haben wir doch jeden Fall zu Ende gebracht. So wird’s auch diesmal sein.«
Auf dem Präsidiumshof angekommen, wünschte sie Hellmer eine gute Nacht und fuhr nach Hause. Sie blieb noch eine halbe Stunde auf der Couch sitzen, während langsam das Badewasser einlief. Sie hörte Musik und hatte den Fernseher angemacht und trank eine Dose Bier. Kurz nach Mitternacht ging sie zu Bett, stellte den Wecker auf sieben Uhr und hoffte auf eine ruhige Nacht.
Mittwoch, 22.25 Uhr
Gabriele Lura wartete, bis alle vier Polizeiautos weg waren, schaute auch dem letzten Rücklicht nach, warf einen Blick in alle Zimmer, in denen es aussah, als wäre seit Wochen nicht aufgeräumt worden, schüttelte den Kopf undrief Werner Becker an, um sich mit ihm für dreiundzwanzig Uhr in dessen Zweitwohnung über seiner Kanzlei in Sachsenhausen zu verabreden. Sie war in Panik, hatte Angst, die Polizei könnte doch noch etwas finden, das sie als Mörderin ihres Mannes überführte. Andererseits hegte sie eine gewisse Sympathie für Julia Durant und glaubte nicht, dass diese ihr etwas unterschieben würde, nur um eine Mörderin zu haben. Sie musste trotzdem mit Becker sprechen, sich mit ihm beraten, ihn fragen, ob er von dem Testament und der Lebensversicherung Kenntnis hatte. Wenn ja, dann würde sie ihn zur Rede stellen und ihn fragen, weshalb er so unaufrichtig ihr gegenüber war.
Er hatte ihr fest versprochen, ihr zu helfen, auch wenn diese Hilfe vielleicht etwas länger dauern würde. Er war ein Teil ihrer Hoffnung, aber ihre Hoffnungen hatten
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