Das verlorene Gesicht
Sie mich nicht in eine Falle gelockt haben. Ich werde nicht ohne ihn kommen, Eve.«
Sie gab nach. »Also gut. Nur er. Falls ich irgendein Anzeichen für die Anwesenheit von jemand anderem entdecke, werde ich Sie nicht treffen.«
»Einverstanden. Und jetzt sagen Sie mir, wo Sie mich treffen wollen.«
»Ich werde Sie anrufen, wenn Sie in der Luft sind und sich Camp David nähern.«
»Vorsicht. Wann soll ich mich auf den Weg machen?«
»Morgen früh um acht.«
»In Ordnung. Denken Sie daran, man braucht dreißig Minuten vom Weißen Haus nach Camp David.« Sie hielt inne. »Falls ich Sie nicht doch noch dazu überreden kann, den Schädel irgendwo zu deponieren. Es wäre wirklich für uns beide sicherer.«
»Ich habe gesagt nein.«
»Dann also morgen.« Lisa legte auf.
Eve schaltete ihr Handy aus. Es war getan. Logan hatte es einen schrecklichen Fehler genannt, aber sie hatte das Spiel dennoch ins Rollen gebracht.
Sie brauchte eine Transportmöglichkeit nach Washington und es gab eine Sache, die sie noch erledigen musste. Sie rief ihre Mutter an. »Wie geht es Joe?«
»Ich habe gerade mit dem Krankenhaus telefoniert. Er ist nicht mehr auf der Intensivstation.«
Eve schloss die Augen vor Erleichterung. »Es geht ihm besser? Er wird überleben?«
»Er ist während der Nacht aus dem Koma erwacht. Die Ärzte sind zurückhaltend mit ihren Aussagen, aber es sieht vielversprechend aus.«
»Ich möchte ihn sehen.«
»Sei nicht verrückt. Du weißt, dass das nicht möglich ist.«
Aber das konnte ihre Verzweiflung nicht besänftigen. Wer konnte sagen, was in Camp David geschehen würde? Sie musste Joe unbedingt sehen. »Okay. Ich brauche Hilfe. Kannst du für mich ein Auto mieten und mich abholen?«
»Was ist mit Logans Wagen?«
»Wir haben uns getrennt. Sie fahnden intensiver nach ihm als nach mir und wahrscheinlich wurde Befehl gegeben, ihn auf der Stelle zu erschießen.«
»Ich bin froh, dass du nicht mehr mit ihm zusammen bist. Die Vorstellung, dass ihr beiden –«
»Mom, ich habe nicht viel Zeit. Ich bin auf einer Damentoilette im Freizeitpark von Gainesville. Um diese Tageszeit ist es hier menschenleer, aber ich kann nicht lange hierbleiben. Es widerstrebt mir, dich darum zu bitten, aber kannst du mich abholen?«
»Bin schon unterwegs.«
Sie war unterwegs. Eve würde Sandra zurück zu Rons Wohnung bringen und dann würde sie auch unterwegs sein. Sie setzte sich auf den Boden, stellte ihre Handtasche neben den Koffer mit dem Schädel und lehnte sich gegen die Betonwand. Tief einatmen. Entspannen. Sie tat, was sie tun musste.
Morgen früh um acht.
Morgen früh um acht.
Lisa stand auf und trat ans Fenster.
Morgen würde sie Bens Schädel haben und dann war die
schlimmste Gefahr vorüber.
Es konnte eine Falle sein, aber Lisas Instinkt sagte ihr, dass sie die eine Karte ausgespielt hatte, der Eve Duncan nicht widerstehen konnte. Die Frau war besessen von der Idee, ihre Tochter zu finden, und Lisa hatte ihre Qualen ausgenutzt und die Frau in die Knie gezwungen. Eigentlich müsste sie triumphieren.
Aber sie empfand keine Triumphgefühle.
Sie wünschte, sie hätte Eve davon überzeugen können,
dass das Treffen unnötig war. Sie hatte ehrlich vorgehabt, ihren Teil der Abmachung einzuhalten.
Oder nicht?, fragte sie sich müde. Sie hatte geglaubt, sich selbst zu kennen, aber in letzter Zeit waren ihr Zweifel daran gekommen.
Sie wünschte, Eve hätte dieses Treffen nicht arrangiert.
In der Nähe des Catoctin Mountain Park Am nächsten Tag 8.20 Uhr
Der Hubschrauber näherte sich von Norden her.
Eve rief an.
»Ich bin auf einer Lichtung einen Kilometer von der
Route 77, am Huntington Creek. Landen Sie auf der Lichtung. Ich erwarte Sie dort.«
»Sobald wir die Gegend überflogen und uns vergewissert haben, ob alles in Ordnung ist«, sagte Lisa Chadbourne. »Timwick ist gern vorsichtig.«
Es war Lisa, die gern vorsichtig war, dachte Eve. Aber Eve war auch vorsichtig gewesen. Sie hatte sich
vergewissert, dass die Umgebung menschenleer war, bevor sie angerufen hatte.
Während sie nervös immer wieder die Fäuste ballte, beobachtete sie, wie der Hubschrauber über der Lichtung kreiste.
»Eine Person.« Timwick deutete auf den undeutlichen Infrarot-Punkt auf der LCD-Anzeige. »Die nächste andere Wärmequelle befindet sich in einem Imbiss auf der Route 77, drei Kilometer weit entfernt.«
»Elektronische Geräte?«
Timwick überprüfte einen anderen Bildschirm. »Nichts in der näheren Umgebung von Duncan.«
»Sind Sie
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