Das verlorene Gesicht
sprechen.« »Sie haben mich zu überhaupt nichts veranlasst. Es ist mir wichtig, sie in Erinnerung zu behalten und sie nie zu vergessen. Sie hat existiert. Sie war ein Teil von mir, vielleicht sogar der beste.« Sie wandte sich von ihm ab. »Und jetzt möchte ich ins Labor gehen und ein bisschen an Mandy arbeiten.« Er sah sie überrascht an. »Sie haben die Fragmente mitgebracht?« »Natürlich. Wahrscheinlich lässt sich nicht mehr viel damit anfangen, aber ich könnte nicht aufgeben, ohne es wenigstens versucht zu haben.« Er lächelte. »Nein, das könnten Sie wohl nicht.« Sie spürte seinen Blick, als sie ging. Sie hätte ihm besser nicht gezeigt, wie verletzlich sie war, aber die Unterhaltung war einfach von einem Thema zum nächsten geflossen. Logan hatte konzentriert und verständnisvoll zugehört und er hatte ihr das Gefühl vermittelt, dass es ihn wirklich interessierte. Vielleicht war er gar nicht so gleichgültig. Vielleicht war er gar nicht der Manipulator, für den sie ihn hielt. Vielleicht aber doch. Ach zum Teufel, welchen Unterschied machte es schon? Sie schämte sich nicht ihrer Gefühle für Bonnie und nichts von dem, was sie gesagt hatte, ließ sich verdrehen oder gegen sie verwenden. Der einzige Vorteil, den er daraus ziehen konnte, war, dass sie sich ihm jetzt etwas vertrauter fühlte; die einfache Tatsache, dass sie mit ihm über Bonnie geredet hatte, hatte höchstens eine vorläufige Bindung bewirkt. Aber das würde sie in keiner Weise beeinflussen. Sie öffnete die Tür des Labors und ging direkt zu ihrem Aktenkoffer, den sie auf dem Schreibtisch abgestellt hatte. Sie öffnete ihn und nahm die Schädelfragmente heraus. Sie zusammenzusetzen würde wie die Arbeit an einem Puzzle sein, bei dem einige Teile die Größe von winzigen Splittern hatten. Was glaubte sie eigentlich? Es war verrückt, wahrscheinlich unmöglich, dachte sie verzweifelt. Doch die Aufgabe war unmöglich mit dieser Einstellung zu lösen. Mandy zu rekonstruieren war ihre Arbeit und sie würde einen Weg finden, diese Arbeit zu erledigen. Die Verbindung zu Mandy war eine, der sie trauen konnte, ein Band, an dem festzuhalten sie sich leisten konnte. »Hallo, Mandy.« Sie setzte sich an den Schreibtisch und nahm einen Nasenknochen, den größten, der erhalten war. »Ich fange am besten damit an. Mach dir keine Sorgen. Es wird vielleicht lange dauern, aber wir werden es schaffen.« »Dora Bentz ist tot«, sagte Gil knapp, als Logan das Telefon abnahm. »Mist.« Seine Hand umklammerte den Hörer. »Erstochen und offensichtlich vergewaltigt. Sie wurde von ihrer Schwester gegen zehn Uhr heute Vormittag in ihrer Wohnung gefunden. Sie wollten zusammen einen Aerobic-Kurs besuchen. Die Schwester hatte einen Schlüssel und schloss auf, nachdem auf ihr Klopfen hin keine Reaktion kam. Das Fenster war offen und die Polizei geht von einem einfachen Sexualmord aus.« »Einfach, verdammt noch mal.« »Wenn es das nicht war, dann war es gut gemacht«, fügte Gil hinzu. »Außerordentlich gut.« Genau wie der Vandalismus in Eves Labor in Atlanta. »Ist dir jemand gefolgt?« »Zweifellos. Das war abzusehen.« »Kannst du über einen deiner früheren Kumpel herausfinden, wen Timwick vielleicht benutzt?« »Vielleicht. Ich werde mal meine Fühler ausstrecken. Soll ich zurückkommen?« »Nein. Ich habe den ganzen Vormittag versucht, James Cadro zu erreichen. Nach Auskunft seines Büros macht er mit seiner Frau in den Adirondacks Campingurlaub.« Und nach einer Weile: »Beeil dich, ich war nicht der Erste, der sich nach ihm erkundigt hat.« »Wissen wir, wo in den Adirondacks?« »Irgendwo in der Nähe von Jonesburg.« »Großartig. Das liebe ich. Präzise Angaben. Ich bin schon unterwegs.« Logan legte den Hörer zurück. Dora Bentz tot. Er hätte sie retten können, wenn er gestern gehandelt hätte. Aber verdammt, er hatte geglaubt, dass sie alle sicherer wären, wenn er kein Interesse an ihnen zeigte, wenn er ihre Existenz einfach ignorierte. Er hatte sich geirrt. Dora Bentz war tot. Für sie war es zu spät, aber vielleicht für die anderen noch nicht. Eine Ablenkung konnte womöglich Leben retten und ihm die Zeugen erhalten, die er so verzweifelt brauchte. Aber er konnte nichts machen ohne Eve Duncan. Sie war der Schlüssel. Er musste geduldig sein und ihr Vertrauen gewinnen. Vertrauen aufbauen war ein langsamer Prozess bei jemandem, der so misstrauisch war wie Eve. Sie war intelligent und irgendwann würde sie herausfinden, dass ihr und ihrer
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