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Das verlorene Gesicht

Das verlorene Gesicht

Titel: Das verlorene Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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diesem
wogenden Meer aus Maispflanzen zu versinken, die Brust
einschnürte.
»Eve?« Gil stand am Rand des Felds und wartete. »John
will Sie dabeihaben.«
Sie befeuchtete sich die Lippen. »Warum?«
Gil zuckte die Achseln. »Fragen Sie ihn.«
»Es ist idiotisch, dass ich überhaupt mit hierher gekommen bin. Ich kann sowieso nichts zu dem Schädel
sagen, bevor wir im Labor sind.«
»Tut mir Leid. Er will, dass Sie dabei sind, wenn wir ihn
ausgraben.«
Hör auf zu argumentieren. Tu’s einfach. Bring es hinter
dich. Sieh zu, dass du von hier fortkommst.
Sie folgte Gil in das Maisfeld.
Dunkelheit.
Sie hörte das Rascheln, das Gil vor ihr verursachte, aber
sie konnte ihn nicht sehen. Sie konnte nichts sehen außer
den hoch aufgeschossenen Maispflanzen um sie herum. Es
war wie lebendig begraben zu sein. Wie wollte Logan hier
etwas finden, selbst wenn er einen Lageplan besaß? »Ich sehe Licht da vorne«, hörte sie Gils Stimme sagen. Sie sah überhaupt nichts, aber sie beschleunigte ihre
Schritte.
Bring es hinter dich. Mach, dass du hier wegkommst. Jetzt sah sie das Licht. Logan hatte die Taschenlampe
auf dem Boden abgesetzt und bereits angefangen zu
graben. Seine Schaufel drang in den Boden und riss die
Wurzeln der Maispflanzen aus.
»Hier?«, fragte Gil.
Logan blickte auf und nickte. »Schnell. Er ist ziemlich
tief vergraben, um zu verhindern, dass der Farmer ihn
beim Pflügen herausholt. Du brauchst nicht vorsichtig zu
sein. Er soll in einer bleiverkleideten Kiste liegen.« Gil begann zu graben.
Eve wünschte, sie hätten ihr auch eine Schaufel gegeben. Etwas zu tun zu haben, wäre ihr leichter gefallen, als
einfach tatenlos abzuwarten. Sie wurde von Sekunde zu
Sekunde nervöser.
Das war idiotisch. Wahrscheinlich lag hier überhaupt
nichts begraben und sie benahmen sich alle wie die
Figuren in einem Roman von Stephen King.
»Ich bin auf etwas gestoßen«, sagte Gil.
Logan warf ihm einen Blick zu. »Halleluja.« Er grub
schneller.
Eve trat näher an das Loch und sah verrostetes Metall
unter der losen Erde. »Mein Gott …«
Warum wühlte das alles sie so auf? Bloß weil Donnelli
die richtige Stelle angegeben hatte, hieß das noch lange
nicht, dass die Geschichte wahr war. Womöglich befand
sich noch nicht einmal ein Schädel in der Kiste, und dass
er Kennedy gehörte, war völlig ausgeschlossen.
Logan begann, das Schloss der Kiste aufzubrechen. Aber das war keine Kiste, stellte Eve plötzlich fest. Es
war ein Sarg.
Ein Kindersarg.
»Hören Sie auf.«
Logan sah sie an. »Warum, verdammt?«
»Das ist ein Sarg. Ein Baby …«
»Das weiß ich. Donnelli war Bestattungsunternehmer.
Woher sollte er sonst eine bleiverkleidete Kiste nehmen?« »Was ist, wenn es kein Schädel ist?«
Logans Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Es ist ein
Schädel. Wir verschwenden unsere Zeit.« Er brach den
Sarg auf.
Sie hoffte inständig, dass er Recht hatte. Die
Vorstellung, dass ein kleines Baby ganz allein hier
draußen begraben liegen sollte, brach ihr das Herz. Logan öffnete den Sargdeckel.
Kein Baby.
Selbst durch die dicke Plastikverpackung konnte sie den
Schädel erkennen.
»Volltreffer«, murmelte Logan. Er hielt die
Taschenlampe dichter heran. »Ich wusste doch, dass –« »Ich höre ein Geräusch.« Gil hob den Kopf.
Eve hörte es auch.
Der Wind?
Nein, nicht der Wind.
Es war eindeutiger. Das gleiche Geräusch, das sie auf
dem Weg hierher gemacht hatten.
Und das Rascheln bewegte sich auf sie zu.
»Scheiße«, knurrte Logan. Er schlug den Sarg zu,
schnappte ihn sich und sprang auf. »Nichts wie weg hier.« Eve schaute sich um. Nichts. Nur das bedrohliche
Rascheln. »Es könnte doch der Farmer sein, oder?« »Das ist nicht der Farmer. Das sind mehrere.« Logan
rannte los. »Verlier sie nicht, Gil. Wir laufen in einem
Bogen durch das Feld und treffen uns am Wagen.« Gil packte sie am Arm. »Schnell.«
Sie durften nicht reden. Man würde sie hören. Aber das
war verrückt. Was machte es für einen Unterschied? Sie
machten genauso viel Lärm im Mais wie ihre Verfolger,
wer immer sie sein mochten.
Logan lief im Zickzack durch das Feld und sie folgten ihm. Sie rannten.
Erstickende Dunkelheit.
Rascheln.
Eves Lunge schmerzte.
Kamen sie näher?
Sie konnte es nicht sagen. Sie machten zu viel Lärm, als
dass sie etwas härte hören können.
»Links!«, schrie jemand hinter ihnen.
Logan rannte nach rechts.
»Ich glaube, ich sehe was«, rief eine andere Stimme. O Gott, es klang, als wäre der Mann gleich neben ihnen. Logan änderte erneut seine

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