Das verlorene Gesicht
mir.« Er schaute an ihr vorbei. »Sie sind Logan?« Logan nickte. Kessler lächelte durchtrieben. »Soviel ich weiß, haben Sie eine Menge Geld?« »Genug.« »Könnten Sie etwas davon erübrigen? Die Dinge sind nicht mehr so wie früher. Es ist leider eine traurige Tatsache, dass wir schlauen Wissenschaftler heutzutage auf Gönner angewiesen sind.« »Wir werden uns schon einigen können«, sagte Logan. »Hören Sie auf, Gary.« Eve begann, den Koffer zu öffnen. »Sie wissen ganz genau, dass Sie den Job umsonst erledigen, wenn er Sie genug interessiert.« »Sie haben ein ziemlich loses Mundwerk, Duncan«, sagte Kessler. »Ein bisschen Geldgier kann nie schaden. Außerdem habe ich mich ja vielleicht zu einem Banausen entwickelt, seit wir das letzte Mal zusammengearbeitet haben.« Sein Ton klang abwesend, sein Blick war auf den Koffer fixiert. Trotz seiner schnodderigen Worte spürte sie seine Erregung. Er erinnerte Eve an ein Kind, das neugierig auf den Inhalt eines Weihnachtspäckchens war. »Und Quinn vorzuschicken, damit er meine Neugier weckt, ist ein ziemlich durchschaubarer Trick. Ich hätte Sie für subtiler gehalten.« Sie grinste. »Wenn etwas funktioniert, soll man nicht daran herumpfuschen.« »Es muss sich um etwas äußerst Interessantes handeln, dass Sie sich auf so einen Schlamassel eingelassen haben.« Er wandte seinen Blick nicht von dem Koffer. »Normalerweise sind Sie nicht dumm.« »Danke.« Sie wartete. Schließlich fragte er ungeduldig: »Also, wer ist es?« Sie öffnete den Koffer und hob den Schädel vorsichtig heraus. »Sagen Sie’s mir.« »O Scheiße«, flüsterte er. Eve nickte. »Genau.« Er nahm den Schädel entgegen und stellte ihn auf seinen Schreibtisch. »Und das ist kein übler Scherz?« »Wäre ich auf der Flucht, wenn es sich um einen Scherz handelte?« Er starrte das Gesicht an. »Mein Gott. Chadbourne.« Er wandte sich zu Eve um. »Wenn es Chadbourne ist. Wussten Sie es, als Sie an dem Schädel gearbeitet haben?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe mich blind an die Arbeit gemacht. Ich hatte keine Ahnung, bis ich fertig war.« »Und was wollen Sie von mir?« »Den Beweis.« »DNA.« Er runzelte die Stirn. »Und mit welchem Material soll ich arbeiten? Ich nehme an, Sie haben schon wieder an dem echten Schädel gearbeitet. Warum können Sie keine Abdrücke nehmen? Wer weiß, was Sie alles zerstört haben.« »Da war nicht mehr viel zu zerstören. Die Leiche ist verbrannt worden.« Seine Augen verengten sich. »Und was glauben Sie, was ich jetzt noch tun kann?« »Ich dachte … die Zähne. Der Zahnschmelz müsste die DNA geschützt haben. Sie könnten einen Zahn spalten und die DNA isolieren. Ist das möglich?« »Möglich, ja. Man hat das schon gemacht. Aber es ist keine sichere Diagnose«, fügte er hinzu. »Werden Sie es versuchen?« »Warum sollte ich? Das geht mich überhaupt nichts an und bringt mich nur in Schwierigkeiten.« Joe schaltete sich ein. »Ich werde hier bleiben und Sie bewachen, während Sie arbeiten.« Er warf Logan einen Blick zu. »Und ich bin sicher, Mr Logan würde sich erkenntlich zeigen.« »In begrenztem Umfang«, sagte Logan. Sie gingen die Sache völlig falsch an, dachte Eve ungeduldig. Von dem Augenblick an, als sie Garys Gesicht gesehen hatte, hatte sie gewusst, dass er mitmachen würde. Er brauchte nur noch einen kleinen Schubs. »Wollen Sie nicht wissen, ob es sich tatsächlich um Chadbourne handelt, Gary? Möchten Sie nicht derjenige sein, der den Beweis erbringt?« Kessler überlegte. »Vielleicht.« Klar wollte er es. Sie konnte es an der Erregung sehen, die er zu verbergen suchte. »Es wäre unglaublich schwierig«, sagte sie. »Vielleicht würde es Ihnen für ein Buch reichen.« »So schwierig auch wieder nicht.« Er sah sie strafend an. »Es sei denn, Sie haben die Zähne auch ruiniert.« »Ich habe sie möglichst überhaupt nicht angerührt.« Sie lächelte. »Und Sie wissen, dass meine Arbeit keine Auswirkungen auf Ihre Arbeit hat. Es ist alles noch da und wartet nur auf Sie.« Er schaute auf. »Ich weiß genau, wie Sie arbeiten.« »Natürlich wissen Sie das. Also, wollen Sie es nun tun oder müssen wir den Schädel zu Crawford an der Duke University bringen?« »An meinen Ehrgeiz zu appellieren wird Ihnen auch nicht helfen. Ich weiß, dass ich der Beste auf dem Gebiet bin.« Er setzte sich auf seinen Stuhl. »Aber vielleicht tue ich Ihnen den Gefallen. Sie sind mir schon immer sympathisch gewesen, Duncan.« »Sie würden es auch tun,
Weitere Kostenlose Bücher