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Das verlorene Ich

Das verlorene Ich

Titel: Das verlorene Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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wir an, ich ließe mich darauf ein«, fuhr er fort. »Was würden Sie als Gegenleistung verlangen, Monsieur Landers?«
    »Ihre Hilfe.«
    »Wobei?«
    »Ich würde verlangen, daß Sie Ihre Macht und Ihre weltweiten Verbindungen einsetzen, um mir bei einer Suche zu helfen.«
    »Eine Suche - nach was?« hatte Vautier gefragt.
    »Nach einem Gefäß«, hatte Landers geantwortet, und seine Betonung war so eigenartig gewesen, als stünde dieses Wort für viel mehr als nur für einen nützlichen Gegenstand. »Man nennt es den Lilienkelch.«
    Giordan Vautier hatte aufgelacht. Zum allerletzten Mal in Hector Landers' Gegenwart. Danach hatte er es nie mehr gewagt.
    »Lilienkelch?« hatte er spöttisch gefragt. »Sie verlangen ernsthaft, daß ich Ihnen helfe bei der Suche nach einer - Blumenvase? Sie müssen vollkommen ir-«
    Weiter war Vautier nicht gekommen. Der Rest seiner Worte erstickte ihm in der Kehle. Weil Landers' Hand ihm den Atem abpreßte. Die Geschwindigkeit, mit der er sich auf ihn gestürzt hatte, war kaum zu verfolgen gewesen.
    »Eine weitere Bemerkung dieser Art«, hatte Landers ihn angefletscht, »und es war Ihre letzte.«
    Und Vautier hatte ihm geglaubt .
    Den Schmerz in der Kehle, den ihm Landers' Griff verursacht hatte, meinte er noch heute spüren zu können.
    Wie auch jetzt wieder.
    Als die Liftkabine zum Stillstand kam, die Türen auseinanderglitten und den Blick freigaben - - auf etwas, das noch heute davon zeugte, daß Hector Landers damals nicht übertrieben hatte, als er von unvorstellbarer Macht sprach.
    Denn unvorstellbar war all dies noch heute für Giordan Vautier.
    Und er wußte, daß es besser nie Wirklichkeit geworden wäre.
    Trotzdem war er jetzt fest entschlossen, es zu nutzen.
    *
    Sydney
    Es kam über Lilith, als sie das Pflaster des Gehsteigs verließ und ih-ren Fuß in das Distelgestrüpp des von keinem Zaun geschützten Grundstücks setzte:
    Was will ich hier? dachte sie, wollte sich umdrehen und wieder fortgehen. Fortgehen und vergessen, daß sie je auch nur das geringste Interesse für diesen Flecken Erde gezeigt hatte!
    Aber dann ließ sie den Fuß stehen und setzte auch den zweiten über die unsichtbare Grenze.
    Grenze? Welche Grenze?
    Sie sah sich um.
    Etwas war anders geworden, aber was?
    Das Licht!
    Sie hob den Blick zum Himmel. Von einem Augenblick zum anderen schien sich eine Wolke vor die Sonne geschoben zu haben. Ein dunkler Schatten fiel über das Gelände .
    Schatten?
    Am Himmel war keine Wolke. Trotzdem wurde die Kraft der Sonne von etwas gemindert. Es ging erst auf den frühen Nachmittag zu, aber das Licht entsprach dem eines sterbenden Tages.
    Dämmerung.
    Und Windstille.
    Lilith fand keine Erklärung dafür, trat nun doch, wie ein erster Impuls es von ihr verlangt hatte, auf den Gehweg zurück - und tauchte wieder ein in die gewohnte Helligkeit und sachte Meeresbrise. Ein Schritt vor . Dämmerung umfing sie.
    Absurd.
    Wie der Untergang des Klosters in den Bergen des Monte Cargano , dachte sie. Wie die Tatsache, daß eine erwachsene Frau wochenlang ohne Nahrung auszukommen vermag, ohne ein Gramm abzunehmen ...
    HÖR AUF DAMIT!
    Sie hörte auf. Sie atmete den Duft der Dämmerung, und zum ersten Mal hatte sie das Gefühl einer wenn auch vagen Vertrautheit.
    War sie hier schon einmal gewesen? Wann? Als das Haus noch ge-standen hatte, jenes alte Haus? Oder zu Zeiten, als sich das vom Taxifahrer geschilderte Hochhaus in den Himmel geschraubt hatte?
    Habe ich hier gelebt? Mit wem?
    Namen rückten in ihr Bewußtsein. Namen, die sie auf den Rückseiten der Bilder gefunden hatte. Die dazugehörigen Menschen hätten vielleicht dabei helfen können, die Lücken in ihrem Gedächtnis mit Erinnerungen zu füllen. Aber es hatte keine Personenfotos bei dem Stapel gelegen. Und selbst wenn sie hier gelebt hatten, spätestens mit dem Abbruch der Häuser würden auch sie fortgezogen sein. Wohin auch immer ...
    Fast mechanisch ging Lilith weiter. Ihre Füße, von demselben amorphen Material geschützt, das auch die übrige Kleidung bildete, wateten durch das kniehohe Gras wie durch seichtes Wasser.
    Stärker noch als die innerhalb des Grundstücks reduzierte Helligkeit irritierte es sie, daß sie plötzlich einen Grabstein fand.
    Sie ging darauf zu, und plötzlich hatte sie das Gefühl, bei jedem Schritt könnte sich der Boden unter ihr auf tun, um sie zu verschling en!
    Sie unterdrückte ihre Angst.
    Sie las den Namen auf dem sehr alten, verwitterten Stein. Las ihn und zuckte zusammen:
    Creanna

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