Das Verlorene Labyrinth
erste Träne über die Wange lief.
»Nicht weinen, es wird alles wieder gut. Sei nicht traurig. Du hast getan, was du tun konntest, Sajhë . Keiner von uns hätte mehr tun können.«
Er nickte.
»Wo ist Esclarmonde jetzt?«
»In einem Haus in Sant-Miquel«, schluchzte er. »Sie sagt, wir sollen da warten, bis Ihr uns sagt, dass Intendant Pelletier kommt.« Alaïs horchte auf. »Hat Esclarmonde das wirklich gesagt, Sajhë ?«, fragte sie nach. »Dass sie auf eine Nachricht von meinem Vater wartet?«
Sajhë sah sie ratlos an. »Stimmt das denn nicht?«
»Doch, doch, ich kann mir nur nicht vorstellen, wie ...« Alaïs sprach den Satz nicht zu Ende. »Mach dir keine Gedanken. Das ist unwichtig.« Sie wischte ihm das Gesicht mit ihrem Tuch ab. »Brav. So ist es gut. Mein Vater möchte mit Esclarmonde sprechen, aber er wartet auf die Ankunft eines weiteren ... eines Freundes, der aus Besiers unterwegs hierher ist.«
Sajhë nickte. »Simeon.«
Alaïs sah ihn verblüfft an. »Ja«, sagte sie und musste lächeln. »Simeon. Sag, Sajhë , gibt es eigentlich irgendetwas, was du nicht weißt?«
Er brachte ein Grinsen zu Wege. »Nicht viel.«
»Richte Esclarmonde aus, dass ich meinem Vater erzählen werde, was geschehen ist, aber sag ihr, es ist besser, wenn sie - ihr beide - vorläufig in Sant-Miquel bleibt.«
Er überraschte sie, indem er ihre Hand nahm. »Sagt es Ihr selbst«, schlug er vor. »Sie wird froh sein, Euch zu sehen. Und Ihr könntet noch ein bisschen miteinander reden. Menina hat gesagt, Ihr musstet fort, bevor Ihr Euer Gespräch beendet hattet.«
Alaïs blickte nach unten in seine bernsteinfarbenen Augen, die vor Begeisterung strahlten. »Kommt Ihr?«
Sie lachte. »Dir zuliebe, Sajhë ? Natürlich. Aber nicht jetzt. Es ist zu gefährlich. Vielleicht beobachten sie das Haus. Ich werde euch Nachricht schicken.«
Sajhë nickte. »Deman al vespre«, sagte er und war gleich darauf verschwunden.
Kapitel 37
J ehan Congost hatte seine Frau kaum gesehen, seit er aus Montpellier zurück war. Oriane hatte ihn nicht willkommen geheißen, wie es sich geziemte, hatte keinerlei Achtung vor der Mühsal und den Demütigungen gezeigt, die er erdulden musste. Außerdem hatte er ihr sündhaftes Verhalten in ihrem Gemach kurz vor seinem Aufbruch nicht vergessen.
Er schimpfte vor sich hin, während er über den Hof hastete und den Wohnbereich betrat. Pelletiers Diener François kam ihm entgegen. Congost hielt ihn für unzuverlässig und eingebildet, jemand, der ständig überall herumschlich und alles seinem Herrn und Meister berichtete. Es gab keinerlei Grund dafür, warum er um diese Tageszeit hier im Wohnbereich war. François verneigte sich vor ihm. »Escrivain.«
Congost schenkte ihm keine Beachtung.
Als er seine Wohnräume erreichte, hatte Congost sich inzwischen in selbstgerechte Wut hineingesteigert. Es war an der Zeit, Oriane eine Lektion zu erteilen. Er konnte nicht zulassen, dass ein derartig dreister und vorsätzlicher Ungehorsam ungestraft blieb. Ohne anzuklopfen, stieß er die Tür auf.
»Oriane! Wo seid Ihr? Kommt her.«
Das Zimmer war leer. Aus Zorn, sie nicht vorzufinden, fegte er alles vom Tisch. Schüsseln zerbrachen, Kerzenhalter polterten auf den Boden. Er marschierte zum Kleiderschrank und zog alles heraus, dann riss er die Decken vom Bett, die Wäsche mit ihrer Wollust darauf.
Erbost ließ sich Congost auf einen Stuhl sinken und betrachtete sein Werk. Zerfetzte Stoffe, zersprungene Schüsseln, Kerzen. Daran war Oriane schuld, mit ihrem verwerflichen Verhalten. Er ging los, um Guirande zu finden, die das Durcheinander auf- räumen sollte, und sann dabei über Möglichkeiten nach, wie er sein widerspenstiges Weib gefügig machen könnte.
Die Luft war feucht und drückend, als Guilhem aus dem Badehaus kam und Guirande erblickte, die auf ihn wartete. Ihr Mund war zu einem leichten Lächeln verzogen.
Seine Stimmung verschlechterte sich. »Was ist denn?«
Sie kicherte und sah ihn unter langen dunklen Wimpern hinweg an.
»Was ist?«, sagte er barsch. »Wenn du was zu sagen hast, dann sag es, ansonsten lass mich in Ruhe.«
Guirande beugte sich vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Er richtete sich auf. »Was will sie?«
»Das kann ich nicht sagen, Messire. Meine Herrin vertraut mir ihre Wünsche nicht an.«
»Du bist eine schlechte Lügnerin, Guirande.«
»Habt Ihr eine Nachricht für sie?«
Er zögerte. »Sag deiner Herrin, dass ich gleich komme.« Er drückte ihr eine Münze in
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